Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Ich machte im Wohnzimmer weiter – auch nichts. Küche: ebenfalls Fehlanzeige.
    Das war seltsam. Mein erster Verdacht war, dass der Sweeper nicht funktionierte. Ich holte eine kleine Schachtel aus der Kiste. Versteck das hinter irgendeinem Buch, kritzelte ich auf die Lasche des Kartons, zog das Gerät heraus, das darin war, und reichte beides Hans-Olof.
    Er riss die Augen auf, nahm dann meinen Kugelschreiber und schrieb Was ist das? darunter.
    Eine Wanze, schrieb ich. Ich hatte gleich für alle Eventualitäten eingekauft.
    Hans-Olof nickte verstehend und machte sich am Regal zu schaffen. Danach ging ich mit meinem Sweeper die aufgereihten Bücher entlang – bis auf ein paar medizinische Fachbücher, ein zweibändiges Lexikon und einen Weltatlas waren es fast nur Krimis, Hunderte davon – und fand die Wanze auf Anhieb.
    »Merkwürdig«, konstatierte ich und packte sie wieder weg. Die Rückseite einer Montageanleitung bot Platz für die Fortsetzung unserer schriftlichen Unterhaltung. Es sieht so aus, als würden sie dich überhaupt nicht abhören.
    Kann das sein?
    Sein kann alles. Ich ging am Heizkörper auf die Knie, als würde ich ihn untersuchen, sah dabei aber hinaus auf die Straße. Nichts. Alles lag verlassen. Nirgends ein unauffälliger Lieferwagen. Ich griff nach dem Stift. Es kann heißen, dass sie dir nicht viel Widerstand zutrauen.
    Es konnte allerdings auch noch etwas anderes heißen. Es gibt Methoden, ein Haus abzuhören, ohne darin Wanzen installieren zu müssen. Es gibt Richtmikrofone mit einer Empfindlichkeit jenseits von allem, was man sich vorstellen kann, Mikrofone, mit denen man aus hundert Metern Entfernung durch geschlossene Fenster hindurch lauschen kann. Es gibt so genannte Körperschallmikrofone, die in Wände eingebaut sind und diese als Resonanzboden nutzen. Es gibt völlig phantastische Methoden wie zum Beispiel jene, einen unsichtbaren Laserstrahl schräg auf eine Fensterscheibe zu richten, sodass er reflektiert und dabei elliptisch verformt wird. Diese Reflektion wird mit einem speziellen Gerät aufgefangen. Unterhält sich nun jemand in dem Zimmer hinter diesem Fenster, wird die Scheibe von dem Schall minimal vibrieren, und die Vibrationen übertragen sich auf den Laserstrahl, der dadurch zu wackeln anfängt. Aufgrund seines elliptischen Querschnitts kann das Empfangsgerät diese Auslenkungen in Lautsprecherschwingungen umsetzen. Und schon hört man, was hinter dem Fenster gesprochen wird.
    Und so weiter. Bloß sind das alles Geheimdienstmethoden. Mit solchen Techniken belauscht der CIA einen KGB-Agenten oder umgekehrt.
    Ich schrieb weiter. Hast du in der Zeit vor Kristinas Entführung Besuch gehabt? Hat dir jemand etwas geschenkt oder irgendeinen Gegenstand bei dir vergessen? Das waren beliebte Methoden, um Wanzen einzuschmuggeln: in Kugelschreibern, Taschenrechnern, Bildern, Blumenvasen und dergleichen.
    Hans-Olof dachte nach und schüttelte dann den Kopf. Er konsultierte seinen Terminkalender, um sicherzugehen. Ich bekomme sowieso nicht viel Besuch, krakelte er auf das leere Blatt des heutigen Tages.
    Ich beschloss, auf Nummer sicher zu gehen. Gewohnheit eines misstrauischen Mannes. Ich holte mein Werkzeug und begann, die Lampen, Steckdosen und so weiter im Wohnzimmer einzeln zu überprüfen. Nichts. Auch das Telefon war sauber. Nichts unter dem Tisch, nichts in den Türen, nichts hinter den Bildern.
    Dein Arbeitszimmer, gab ich die Stoßrichtung vor. Dann Kristinas Zimmer.
    Hans-Olofs Arbeitszimmer war, sofern das überhaupt möglich war, noch ordentlicher und aufgeräumter, als ich es in Erinnerung hatte. Der Mann war ein Pedant, wenn ich jemals einen gesehen habe. Der überflüssigste Gegenstand im ganzen Raum war der Papierkorb. Hans-Olof warf nichts weg. Alles wurde aufbewahrt, verschwand in sinnreich beschrifteten, ordentlichen Hängemappen, Aktenordnern oder Heftern. Jeder Archivar, dessen Wirkungsstätte ich jemals einen nächtlichen Besuch abgestattet hatte, hätte von meinem Schwager noch eine Menge lernen können.
    Wie sich zeigte , war sein Arbeitszimmer nicht nur im Hinblick auf Staub und Papierstapel sauber.
    Kristinas Zimmer war hart. Das Zimmer einer Vierzehnjährigen, die seit zwei Monaten in der Gewalt von Männern war, die sie wer weiß wo eingesperrt hielten und wer weiß was mit ihr anstellten. Ihr Bett war gemacht, der Schreibtisch aufgeräumt. Der erste Raum im Haus ohne ein Foto von Inga. Dafür hingen Poster an den Wänden, auf denen verträumt

Weitere Kostenlose Bücher