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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Steckdosen, wo massenhaft Platz ist, oder geradezu klassisch in Telefonen. Allerdings sind das auch die Stellen, an denen ein Fachmann vom Sicherheitsdienst als Erstes nachsehen wird.
    Eine weitere Überlegung ist die Nutzung von Resonanzböden. Ein Mikrofon unterhalb einer großen Tischplatte oder in einem Türblatt anzubringen verstärkt dessen Wirkungsgrad noch einmal erheblich.
    Einen Raum auch visuell zu überwachen ist schon schwieriger, zumindest für jemanden ohne Zugriff auf die Arsenale eines Geheimdienstes. Zwar gibt es auf dem freien Markt Videokameras in allen Größen zu kaufen, aber richtig kleine Geräte sind sündhaft teuer – und für die meisten Zwecke trotzdem nicht klein genug. Eine Kamera, die dafür gedacht ist, unauffällig herauszufinden, ob der Babysitter die Kinder schlägt, sobald man aus dem Haus ist, ist unbrauchbar, wenn es darum geht, ein Besprechungszimmer zu beobachten.
    Hier muss man sich mit einem Trick behelfen: Man gibt vor, eine Privatklinik gründen zu wollen, und bestellt im medizinischen Fachhandel endoskopische Ausrüstung, ein völlig unverdächtiger Vorgang. Endoskope sind Instrumente zur optischen Untersuchung des Körperinneren, entweder unter Verwendung natürlicher Körperöffnungen oder durch winzige Einschnitte hindurch. Für die Belange von uns Industriespionen interessant sind vor allem die seit einiger Zeit verfügbaren biegsamen und hochgradig manövrierbaren fiberoptischen Endoskope. Ihre Optiken sind kaum größer als die Spitze eines Kugelschreibers. Man kann sie in Türrahmen, Deckenpaneele, Lampen oder Rauchmelder einbauen, durch eine Ritze zwischen Fußleisten oder durch das Gitter einer Belüftungsanlage spähen lassen. Die eigentliche Kamera samt Sendeanlage sitzt am anderen Ende des flexiblen Schlauchs aus Tausenden feinster Glasfasern, weit außerhalb der Reichweite normaler Detektoren. Sie muss nur klein genug sein, um in ihrem Versteck Platz zu haben, und angesichts der Bauweise moderner Gebäude ist das kein Problem.
    Mikrofone von Wanzen dagegen sind ausreichend winzig, um unauffällig zu sein. Fünf Millimeter Durchmesser sind heutzutage schon geradezu grobschlächtig. Ich hatte schon in meiner aktiven Zeit von Abhöreinrichtungen gelesen, die komplett im Inneren einer Scheckkarte untergebracht werden können und imstande sind, Gespräche im Umkreis von mehreren Metern selbst durch Brieftaschenleder und Anzugstoff hindurch zu belauschen. Allerdings ist derartige High-Tech-Domäne der Geheimdienste und für jemanden wie mich, der es nur mit arglosen Normalbürgern zu tun hat, auch unnötig.
    Womit wir bei einem in diesem Zusammenhang nicht ganz unwichtigen Gesichtspunkt angelangt wären, nämlich der Beschaffung derartiger Spielzeuge. Sie selber zu bauen übersteigt die Fähigkeiten der meisten selbstständigen Kriminellen – auch die meinen, wie ich zugeben muss. Nicht einmal große Organisationen wie die Mafia, die Yakuza oder die Triaden betreiben meines Wissens so etwas wie eine technische Entwicklungsabteilung. Sie müssen es auch nicht, denn – wunderbare Welt der Geldgier – man kann fast alle diese Geräte heutzutage einfach kaufen. In den USA schicken einem spezialisierte Versandhäuser unbekümmert alles, was das Herz begehrt. In England gibt es sogar Ladengeschäfte für Spionageartikel, in denen man völlig anonym einkauft. Theoretisch zumindest. In der Praxis darf man davon ausgehen, dass man in diesen Etablissements mit genau der Technik überwacht wird, die man käuflich erwerben will.
    Dieser Gesichtspunkt war deswegen wichtig, weil ich dadurch wusste, nach welcher Art Geräten ich suchen musste. Die großen Geheimdienste, allen voran der CIA, konnten natürlich mit Technik aufwarten, gegen die ich keine Chance gehabt hätte. Aber mit der hatten wir es hier nicht zu tun. Wir hatten es mit Gangstern zu tun, die in den gleichen Läden einkauften wie ich.
    Das erste Gerät, das ich auspackte, war ein so genannter Sweeper. Es sah ein bisschen wie ein Minensuchgerät aus, und es funktionierte auch so ähnlich, nur dass es nicht auf Metall ansprach – da hätte es viel zu tun gehabt. Ein Sweeper ist dazu da, Halbleiter zu orten, unverzichtbare Bestandteile von Sendeanlagen jeder Art.
    Ich begann im Flur. In einem Karton auf der Hutablage fand ich eine Menge an Kristina adressierte, mit Aufklebern verzierte Briefe, Postkarten und bunt verpackte kleine Geschenke, zweifellos von ihren Klassenkameraden. Wanzen allerdings fand ich keine.

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