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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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jetzt und sofort?
    Es gab natürlich gute Argumente dagegen. Das wichtigste: Das Risiko war nicht abschätzbar. Normalerweise sind Privatwohnungen so schlecht gesichert, dass man problemlos einbrechen kann. Das gilt jedoch nicht für Villen. Dort sind oft Schätze zu sichern, wertvolle Gemälde oder andere Sammlungen, Safes mit Dokumenten, Gold und dem kostspieligen Schmuck der Frau des Hauses – lauter Dinge, die Hersteller von Alarmanlagen, Schließvorrichtungen und Lichtschranken sowie Betreiber von Sicherheitsdiensten in Lohn und Brot setzen.
    Doch spielte das noch eine Rolle? Ich hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren. Noch ein paar Tage bis zur Nobelfeier, mit der jeder Grund entfallen würde, Kristina und Hans-Olof weiter am Leben zu lassen. Zudem hatte es seit Tagen kein Lebenszeichen von Kristina gegeben, was im schlimmsten Fall heißen konnte, dass sie schon tot war und man Hans-Olof mit einem fadenscheinigen Manöver dazu bewegen wollte, bis zuletzt stillzuhalten. Dass man darauf Wert legte, war nachvollziehbar; immerhin waren drei Mitglieder des Nobelkommitees wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung ums Leben gekommen. Der Tod eines weiteren Mitglieds wenige Tage vor der Verleihung des Preises mochte auffallen. Es mochte dazu führen, dass Fragen gestellt wurden, die die Drahtzieher im Hintergrund nicht gestellt sehen wollten.
    Gut. Genug überlegt. Ich ging zurück zum Auto. Mein Instinkt hatte mich eine Lampe und mein Werkzeug in den Kofferraum legen lassen. Worauf sollte ich mich denn noch verlassen, wenn nicht auf meinen Instinkt?
    Das schmiedeeiserne Gartentor hatte ein simples Zuhalteschloss und war meinem einfachen Dietrich wehrlos ausgeliefert. Ich überprüfte kurz, ob Lichtschrankenelemente oder dergleichen auszumachen waren, aber ich entdeckte nichts. Also, Schloss aufsperren und hinein.
    Und bloß nicht schleichen! Schleichen ist verdächtig. Man darf auf feindlichem Gelände niemals ohne Not schleichen, sondern muss sich entspannt bewegen, zielstrebig, so selbstverständlich, als habe man hier zu tun, als gehe man nur seinem mäßig geliebten Job nach. Ich konnte ein Wachmann sein, ein Bote, irgendjemand, der einfach etwas vor die Haustür zu legen hatte.
    Mit dieser Haltung war ich einmal sogar von einem großen Firmengelände entkommen, obwohl schon ein von mir versehentlich ausgelöster Alarm in vollem Gange gewesen war. Überall drehten sich gelbe Warnlichter, heulten Signalhupen, doch ich spazierte gelassenen Schrittes am Pförtnerhaus vorbei und brachte es fertig, den Pförtner verwundert zu fragen, was denn da los sei. Er wusste es auch nicht, wünschte mir aber noch einen schönen Tag.
    Die Haustür war ausnehmend stabil und mit einem hochwertigen Zylinderschloss versehen. Dieses war zudem nach Vorschrift mit großem, umlaufendem Schlüsselschild montiert und so, dass man mit Werkzeug nicht von außen an die Rosette herankommen konnte. Ich musste mich hinknien, die Taschenlampe zwischen den Zähnen, und hatte wenigstens zehn Minuten lang mit mehreren Picks zu tun, ehe sich der Riegel endlich zurückschieben ließ.
    Im Flur erwartete mich – ärgerlich, aber im Grunde nichts, was mich hätte überraschen dürfen – eine hektisch blinkende rote Leuchtdiode. Sie saß in einem Stahlkasten mit Ziffernblock, an dem eine LCD-Anzeige rückwärts zählte, von 30, wie zu vermuten war. Das war Standard in solchen Situationen: Man hatte nach Betreten des Hauses dreißig Sekunden Zeit, einen ansonsten drohenden Alarm abzuschalten.
    21 Sekunden hatte ich noch. Normalerweise wäre nun rascher Rückzug angesagt gewesen, weil ich es mit einem Fabrikat zu tun hatte, dem man nicht innerhalb so kurzer Zeit beikam, schon gar nicht mit den paar kleinen Zangen und Schraubenziehern, die ich bei mir trug. Doch zu meinem Glück hing an der Wand daneben ein Zettel mit der Aufschrift: » Liza! Pflanzen im Arbeitszimmer nicht vergessen. Kombination: 397«.
    Liza war, wie man vermuten durfte, eine Haushälterin, die alle paar Tage vorbeikam, um die Blumen zu gießen. Ich gab den Code ein, das rote Blinken erlosch, ebenso die rückwärts zählenden Ziffern. Stattdessen glomm ein grünes Lämpchen beruhigend auf.
    Regelmäßig zu lüften gehörte offenbar nicht zu Lizas Aufgaben, es roch reichlich muffig. Ich zog die Handschuhe fester und begann, Zimmertüren zu öffnen. Die Bewohner des Hauses pflegten einen ausgesuchten, kostspieligen Geschmack in Sachen Möbeln und hatten zudem ein erkennbares Faible

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