Der Nobelpreis
auszuschalten, und als ich es nach dem Frühstück wieder einschaltete, war keine einzige Nachricht von Hans-Olof darauf. Er lernte dazu.
Während ich duschte, hörte ich es aus dem Zimmer des mir immer noch unbekannten dritten Mieters zweistimmig kichern und wenig später, als ich mich abtrocknete, stöhnen. Offenbar war ein langes Liebeswochenende geplant.
Frau Granberg stellte mir mit ihrer üblichen desinteressierten Mattigkeit mein Frühstück hin. Ansonsten saß sie auf ihrem Dauerplatz am Küchentisch, den Blick hypnotisiert auf die Mattscheibe des unentwegt laufenden Fernsehers gerichtet. Doch als wolle mir das Schicksal zeigen, dass es auf meiner Seite sei, kam etwas überaus Interessantes, nämlich eine kleine Reportage über die Nobelpreisträger, wie sie nach und nach angereist kamen, mit leuchtenden Augen in die Kameras glotzten und völlig aufgekratzt Fragen von Journalisten beantworteten. Man sah, wie sie am Flughafen ausstiegen oder im Grand Hotel eincheckten, und dabei wurde erklärt, welches Programm sie erwartete. Heute, am Samstagnachmittag, würden die Laureaten und ihre Begleiter mit Hilfe einer Videovorführung in einem Saal des Grand Hotel mit dem Zeremoniell der Preisverleihung bekannt gemacht werden. Einige der Preisträger würden zuvor noch den Samstag für Einkäufe nutzen, etwa um gute Schuhe oder Anzüge zu kaufen. Der Sonntag würde der Abend der Nobelpreisreden sein: Detailliert wurde erläutert, wer wann wo auftrat, im Festsaal der Börse, dem Sitz der Schwedischen Akademie, am Karolinska-Institut …
Ich lächelte in meine Kaffeetasse. Alle, alle würden sie am Sonntagabend beschäftigt sein, bis zum letzten Mann und zur letzten Frau. Damit stand der Zeitpunkt meines Besuchs im Sitz der Nobelstiftung fest.
Für meine eigenen Besorgungen in der Stadt benutzte ich die Tunnelbana. Nicht nur, weil der Verkehr immer noch gegen den Schnee kämpfte, sondern auch, weil ich in der Nacht einen Parkplatz direkt vor der Pension gefunden hatte, der ideal sein würde, wenn es am Sonntagabend in die Sturegatan losging.
Die Woge trug mich immer noch, weiter und weiter. Ich fand alles, was ich suchte, und ich fand es auf Anhieb. Die Welt mochte in den Händen Satans sein, aber ich spürte auf einmal, dass auch noch andere Kräfte im Spiel waren.
In einem Geschäft für Motorradzubehör erstand ich eine schwarze Gesichtsmaske sowie ein paar weitere Kleidungsstücke, die nützlich sein würden. Ein Laden für Bergsteiger-und Campingbedarf war eine Fundgrube für Seile, Haken, Rollen und dergleichen. Ein vi har alt- Elektronikshop schließlich bot so erstaunliche Dinge feil, dass ich weit mehr kaufte, als ich ursprünglich vorgehabt hatte. Ich hatte nur noch etwas mehr als zweihundert Kronen in der Tasche, als ich mit meinem randvoll gepackten Rucksack aus der U-Bahn stieg und Richtung Pension marschierte.
Doch dann stand da auf der Straße vor dem Haus plötzlich Tollar vor mir, mein wahnsinniger Zimmernachbar, eingewickelt in einen riesigen graugrünen Parka, eine dicke Stofftasche vor der Brust umklammernd.
»Geh nicht hoch«, raunte er mir zu, ohne mich anzusehen.
»Da ist überall Polizei!«
KAPITEL 39
Er packte mich am Arm und zog mich mit sich. Verdattert wie ich war, ließ ich es geschehen.
»Nicht hinschauen«, mahnte er, aber natürlich musste ich es trotzdem tun, und ja, tatsächlich, die Straße war voller Beamter in Zivil. Es ist schwer zu beschreiben, woran man Zivilfahnder erkennt – es ist eine charakteristische Mischung aus gewollter Unauffälligkeit, ernsten Mienen, wachsamen Blicken und einer dem Ort und der Tageszeit unangemessenen Muße: Wann und wo stehen schon einmal so viele Männer aus einem anderen Grund einfach so herum? Trotzdem, sie machten ihre Sache verdammt gut. Hätte Tollar mich nicht gewarnt, wäre ich zu tief in Gedanken versunken gewesen, um sie zu bemerken, und ihnen in die Falle gegangen.
Ich spürte, wie mein Herz anfing, schneller zu schlagen. Wie um alles in der Welt hatten sie mich gefunden?
»Was ist passiert?«, fragte ich. »Haben sie gesagt, warum sie kommen? Irgendeinen Grund genannt?« Wem hatte ich meine Adresse überhaupt gegeben? Dem russischen Priester, war es das? Oder Lena? Nein, nicht Lena, das konnte nicht sein. Fahlander! Der musste die Anschrift eines unter Bewährungsauflagen entlassenen Strafgefangenen herausgeben, wenn die Polizei ihn danach fragte.
Aber warum? Welchen Anlass hatte die Polizei gehabt, ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher