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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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wahrhaben wollte, vor der sie die Augen verschloss, so fest sie konnte.
    Und mein Körper erinnerte sich an ihren Körper, wusste noch, wie sie sich angefühlt hatte, spürte noch ihre Berührungen, die Weichheit ihrer Brüste …
    Ich riss mich aus meinem Halbschlaf, setzte mich auf, angelte nach dem Telefon. Natürlich hatte ich, ehe ich Birgittas Wohnung verlassen hatte, ihre Telefonnummer aufgeschrieben. Gewohnheit eines berufsmäßigen Informationsbeschaffers. Geh nie ohne irgendeine Information. Verlasse nie mit leeren Händen einen Ort, an dem du zum ersten Mal bist. Nimm etwas mit, das es dir erleichtert, zurückzukommen.
    Es klingelte lange. War sie am Ende noch nicht da? Ich sah auf die Uhr. Die Schule musste längst aus sein, zumal an einem Freitag.
    Da, sie hob ab, meldete sich mit einem gut gelaunten » Hej? « .
    Und im Hintergrund hörte ich einen Mann lachen, tief, dröhnend und selbstbewusst.
    Mir stockte der Atem, als hätte mir jemand die Faust in den Solarplexus gehämmert. Das ging ja schnell bei ihr! Keine zwölf Stunden, und schon war sie wieder dabei, dem Bild ihres Ex-Mannes etwas zu sehen zu geben.
    Kein Wunder, dass ihre Kollegin so geringschätzig gewirkt hatte. Im Biotop einer Schule blieb so ein Lebenswandel bestimmt nicht unbemerkt.
    »Hallo? Wer ist denn da?«
    Ich horchte, reglos, unfähig, auch nur einen Laut von mir zu geben. Sie fragte noch einmal, dann legte sie verärgert auf.
    Ich ließ das Telefon sinken, drückte die rote Taste. Was hatte ich denn erwartet? Die Welt war in den Händen Satans.

KAPITEL 38
    Ich hielt es drinnen nicht mehr aus, musste hinaus in die Nacht. Zumal sich mein Hunger wieder meldete. Mein Körper war noch am Leben, klammerte sich, unbekümmert um alle Moral, ans Dasein.
    Der türkische Imbiss hatte wegen eines Todesfalls geschlossen, also ließ ich mich auf der Suche nach einem anderen Futterplatz ziellos treiben. Es war kalt, es roch nach Schnee, und außer mir waren nur noch Gestalten aus dem Horrorkabinett unterwegs. An einer Ecke stand eine Säuferin, schwankend, eingepackt in einen schmuddeligen Parka, der einmal babyrosa gewesen sein mochte, und schrie in Minutenabständen mit kehliger Stimme hinaus, dass alles Scheiße sei. Ein ausgezehrter Mann, ein Junkie vielleicht, keine dreißig, trat aus einem Häuserschatten auf mich zu, ob ich nicht zehn Kronen hätte. Er stank nach Kot, und ich gab ihm zwanzig, um ihn los zu sein. Ich überholte ein streitendes Paar; sie war dick, trug einen unvorteilhaften Mantel und heulte, dass ihr die Wimperntusche die Wangen hinablief. Er, ein magerer Wicht in Lederjacke, redete in giftigem Tonfall auf sie ein: »Du bist fett. Du bist hässlich. Du bist dumm. Du bist …« Mehr hörte ich nicht mehr, und mehr wollte ich auch nicht hören.
    Ich fand einen vietnamesischen Imbiss, stopfte mir den Bauch mit irgendeiner billigen Mischung aus Reis, Gemüse und Fleisch voll und trank zwei Dosen Cola dazu, während neben mir ein paar verlebt aussehende Typen voreinander lautstark mit ihren angeblichen jüngsten Eroberungen prahlten. Der Fernseher lief, brachte das Neueste aus der Welt, die in den Händen Satans war: Terroranschläge, Bestechungsaffären, Krieg. Und dann, auf einmal, eine elegante, dunkelhaarige ältere Frau, die auf dem Arlanda Airport aus dem Flugzeug stieg, begleitet von einem verkniffen dreinblickenden Mann mit Halbglatze: »Unter großen Sicherheitsvorkehrungen ist heute die diesjährige Nobelpreisträgerin für Medizin, Frau Professor Sofía Hernández Cruz, in Stockholm eingetroffen. Begleitet wurde sie vom Leiter der schwedischen Niederlassung des Pharmakonzerns Rütlipharm, in dessen Forschungsabteilung sie seit Jahren tätig ist. Die erhöhte Alarmstufe gilt aufgrund einer anonymen Bombendrohung in der Nacht auf Donnerstag.«
    Dann kamen schon die nächsten Meldungen, über die Affäre eines Tennisspielers, die scheiternde Ehe eines Fußballstars, das Wetter. Ich machte, dass ich weiterkam.
    Rütlipharm. Ich verspürte den Impuls, mir das High Tech Building noch einmal anzuschauen. Nachzusehen, ob im neunten Stock Licht brannte. Hungerbühl war wieder im Lande, das hieß, inzwischen konnte er gemerkt haben, dass sich jemand aus seinem Safe bedient hatte.
    Falls er ihn ohne die Kombination auf der Visitenkarte aufbekommen hatte.
    Bei der nächsten U-Bahn-Station, Medborgarplatsen, stieg ich hinab. Es war wenig los, Bahnen in beide Richtungen waren eben abgefahren, und ich vertrieb mir die Zeit

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