Der Nobelpreis
auszuchecken. Hat einfach die Schlüssel karte auf den Tresen gelegt und ist gegangen, obwohl das Zimmer für drei Tage gebucht und bezahlt war. Das hat man erst am Donnerstag bemerkt, stell dir vor. Und nun fragen sich alle, ob das womöglich der Mann war, dem Maja den Tisch abgeräumt hat. Und das Komische ist, dass der auch Forsberg hieß, genau wie du – ein Doktor Forsberg aus Göteborg. Und da habe ich mich gefragt, ob das vielleicht ein Verwandter von dir sein könnte, von dem du nichts weißt?«
Ich starrte in die Nacht und ließ mir Zeit mit der Antwort.
»Nein«, sagte ich schließlich einfach. »Das war kein Verwandter von mir.«
»Ich dachte nur«, murmelte sie. Alle Redseligkeit schien verpufft. Auf einmal klang sie schläfrig, während ich hellwach war. »Hätte ja sein können …«
Sie schlief in meinen Armen ein. Ich versuchte mich zu erinnern, wann zuletzt jemand in meinen Armen eingeschlafen war, und konnte es nicht. Ich starrte in die Dunkelheit und war so aufgekratzt, als hätte ich eine ganze Kanne Espresso getrunken.
Die Geschichte mit dem Frühstück im Hotel … Das wollte mir irgendetwas sagen. Ich kam nur nicht darauf, was.
KAPITEL 41
Am nächsten Morgen schliefen wir lange und frühstückten spät. Es hatte über Nacht noch einmal geschneit, alles war weiß, still, ein täuschend friedlicher Sonntagmorgen. Man saß im Warmen, sah hinaus zum Fenster und hätte alle Sorgen für Schimären halten können.
Ich war seltsam ratlos, was ich mit dem Tag anfangen sollte. Gut möglich, dass es der letzte Tag meines Lebens war, den ich in Freiheit verbrachte, aber das machte es nicht einfacher. Ich wusste immer noch erbärmlich wenig über das Gebäude der Nobelstiftung. Mit anderen Worten, ich würde heute Abend improvisieren müssen. Dass dabei etwas schief ging, war atemberaubend wahrscheinlich.
Andererseits, was half es, mir Sorgen zu machen? Ich hatte keine andere Wahl. Vielleicht konnte ich mir das Gebäude noch einmal bei Tageslicht anschauen. Nachher.
Ich rief Hans-Olof an und fragte, ob er etwas von Kristina gehört hatte. Hatte er nicht. Von den Entführern auch nicht. Er klang fatalistisch, matt, resigniert. »Ich mache mir beinahe Sorgen um den Scheißkerl«, sagte ich, weil mich Birgitta so fragend ansah, als ich das Telefon wegsteckte.
»Du tust ihm unrecht«, meinte sie. »Hans-Olof Andersson ist ein phantasievoller Mann. Es ist ganz natürlich, dass er größere Ängste hat als normale Leute.«
»Na, da bin ich aber froh, dass ich nur ein Klotz Holz bin«, erwiderte ich. »Sonst wäre es ja nicht auszuhalten.«
»So habe ich das nicht gemeint«, maulte sie. Die vordergründige morgendliche Harmonie zwischen uns bekam erste Risse.
Im nächsten Moment sprang sie auf, den Blick auf die Küchenuhr gerichtet. »Ah, ich wollte doch … Um elf! Genau, da kam was …« Und schon war sie draußen. Gleich darauf hörte ich im Wohnzimmer den Fernseher angehen.
Ich folgte ihr. Eine zerlesene Programmzeitschrift in der einen und die Fernbedienung in der anderen Hand, stand sie mitten im Zimmer, und im gleichen Augenblick, in dem ich durch die Tür kam, tauchte das Gesicht von Sofía Hernández Cruz auf der Mattscheibe auf.
»Das ist ein Frauenmagazin«, erklärte Birgitta. »Ich habe gestern gesehen, dass sie ein Interview mit ihr bringen.«
»Aha«, meinte ich.
Es war ein Interview auf erschütternd banalem Niveau, ungefähr dem der üblichen Frauenzeitschriften entsprechend. Wir erfuhren, dass Sofía Hernández Cruz ein Appartement mit Blick über den Rhein bewohnte, das von einer tüchtigen Haushaltshilfe in Ordnung gehalten wurde, dass sie die Pflanzen auf ihrem Balkon selber pflegte und abends am liebsten am Kamin saß, ein Glas spanischen Rotwein trank und las. Was denn ihre Lieblingsbücher seien, wollte die Interviewerin gnadenlos wissen. Krimis. Ich überlegte angeödet, ob ich das Hans-Olof erzählen sollte oder lieber nicht. Lasen am Ende alle Mediziner gerne Krimis? Und wenn ja, warum wohl?
Falls sich die Nobelpreisträgerin an der Belanglosigkeit der Fragen störte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Im Gegenteil, sie schien das Gespräch höchst erfreulich zu finden. Ich betrachtete sie genauer. Sie wirkte elegant, trug irgendetwas Blau-Schwarzes, war gut frisiert und zurückhaltend geschminkt. Dass sie nicht mehr die Jüngste war, sah man deutlicher als in dem alten Interview, das ich in der Küche der Pension mitbekommen hatte.
Birgitta sah und hörte
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