Der Nobelpreis
Telefon.«
»Aber Sie richten es ihr aus?«
»Ja, natürlich. Auf Wiederhören.« Sie legte auf.
Hans-Olof hielt den stummen Hörer noch eine Weile in der Hand, ehe er auflegte und sich sagte, dass es keinen Zweck hatte, sich verrückt zu machen. Er schaltete seinen Computer aus, zog seinen Mantel an, packte seine Tasche und ging.
Der Gedanke, dass auch ihn jemand beobachten könnte, kam ihm überhaupt nicht.
Auf der Schnellstraße ins Zentrum herrschte zäher Verkehr. Es wurde besser, als er kurz vor dem Bahnhof endlich abbiegen konnte. Auf dem Besucherparkplatz vor dem Polizeihauptquartier in der Kungsholmsgatan waren sogar mehrere Parkplätze frei, als er ankam.
Er suchte und fand eine Eingangstür in das große Gebäude. Sein Blick huschte ungeduldig über Anschlagtafeln und Wegweiser, Namen, Abteilungsbezeichnungen und Zimmernummern, doch schienen alle Wege falsch und alle Türen verschlossen. Er begann, sich durchzufragen, aber jeder, den er fragte, wollte wissen, was für ein Anliegen er hatte. »Ich muss etwas melden«, erklärte er nur und weigerte sich, Nachfragen zu beantworten, weil er plötzlich Angst hatte, man könnte ihm nicht glauben. Doch, natürlich würde man ihm glauben! Man hatte keine Veranlassung, seine Worte zu bezweifeln. Er war Professor am Karolinska-Institut, Sektionsleiter im Department für Physiologie und Pharmakologie, stimmberechtigt in der Nobelversammlung, ein international angesehener Wissenschaftler, ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft.
Trotzdem brachte er es nicht über sich, jemanden an der Pforte oder auf den Gängen ins Vertrauen zu ziehen.
Man wies ihm Wege, sagte »geradeaus, dritte Tür links« und dergleichen. Er kam an Leuten vorbei, die auf Sitzbänken warteten und ihn düster anblickten. Seine Schritte hallten in den Fluren, bis sich endlich eine dicke Glastüre mit sattem Einrastgeräusch hinter ihm schloss und er vor einer Art Schaltertresen stand. Auf einmal war es angenehm leise.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ein junger Mann in blauer Polizeiuniform.
»Ich möchte etwas melden«, sagte Hans-Olof.
Der junge Polizist holte ein Formular unter der Theke hervor und griff nach einem Kugelschreiber. »Ich verstehe. Und was möchten Sie melden?«
»Man versucht, mich zu erpressen.« Jetzt war es heraus. Gut. Die Gerechtigkeit konnte ihren Lauf nehmen. Hans-Olof atmete aus.
Die Hand des Polizisten mit dem Kugelschreiber verharrte schwebend über dem Formular, so, als sei er sich nicht schlüssig, ob es für diesen Fall überhaupt das richtige war. »Darf ich zunächst nach Ihrem Namen fragen?«
»Andersson. Hans-Olof Andersson«, erklärte Hans-Olof rasch und entschlossen. »Ich bin Professor am Karolinska-Institut.« Es konnte nicht schaden, das von Anfang an klarzustellen.
»Haben Sie Ihren Ausweis dabei?«
Sein Ausweis? Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Aber den musste er im Geldbeutel haben. »Moment«, sagte er und langte in die Tasche.
In diesem Augenblick kam im Hintergrund des Raumes ein anderer Polizist zur Tür herein. Er hatte mehrere grüne Aktenmappen in der einen Hand und einen Apfel in der anderen, in den er gerade kraftvoll hineinbiss. Ohne das Geschehen vorn an der Theke zu beachten, steuerte er auf eine andere Tür zu, die in einen Raum führte, den man durch eine große Glasscheibe einsehen konnte, einen Verhörraum, wie es aussah.
Hans-Olof erstarrte mitten in der Bewegung mit einem Gefühl, als schwände plötzlich alle Kraft aus seinem Körper und als müsse sich als Nächstes die Erde auftun und ihn verschlingen.
Diese weit auseinander stehenden, fischigen Augen! Der Polizist war niemand anders als der Mann, der versucht hatte, ihn zu bestechen.
KAPITEL 8
Er war es, ganz ohne Zweifel. Hans-Olof beobachtete fassungslos, wie der Mann die Tür öffnete, sie hinter sich schloss und in dem Raum dahinter seine Akten auf einen Tisch warf. Was hatte das zu bedeuten? Ein Polizist? Er redete mit jemandem, der vom Tresen aus nicht zu sehen war, und nagte weiter an seinem Apfel. Ein Polizist. Der Mann, der ihm Geld angeboten hatte, der behauptet hatte, nur ein Bote zu sein, war Polizist.
Er hatte Hans-Olof noch nicht entdeckt, aber das konnte nur eine Frage von Sekunden sein. Er brauchte nur den Kopf zu drehen, und nicht einmal weit.
Hans-Olof begriff, dass die Polizei ihm nicht würde helfen können. Wer immer hinter all dem steckte, sie hatten es sogar geschafft, die Polizei von Stockholm zu unterwandern. Hier gab
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