Der Nobelpreis
bezeichnet wird. Dessen Preisgeld von etwa zweihunderttausend Dollar stammt, äußerst symbolisch, nicht aus Geschäften mit Sprengstoff, sondern aus einer Stiftung, die der deutsch-schwedische Journalist Jakob von Uexküll 1980 begründete, indem er seine enorme Briefmarkensammlung verkaufte. Die Zeremonie fand, wie jedes Jahr seit 1985, im schwedischen Parlament statt, und anschließend war ein Essen vorgesehen. Ich konnte davon ausgehen, dass ich mindestens bis elf Uhr Zeit haben würde für das, was zu tun war.
Als ich, vor Dimitris Haus stehend, die Hand in meine Tasche gesteckt hatte, war mir der Blankoausweis in die Finger gekommen, das Einzige, was ich aus dem Büro der Nobelstiftung mitgenommen hatte. Auch das war eigentlich nur aus Gewohnheit passiert und ohne konkreten Plan. Auf dem Schreibtisch der Chefsekretärin hatte eine Mappe voller abgehakter Checklisten, Flugbestätigungen und ähnlichem gelegen und eben auch voller Ausweisvordrucke für Mitarbeiter der Festorganisation. Es hatte ausgesehen, als habe jemand sie eingesammelt, nachdem festgestanden hatte, dass man sie nicht mehr brauchen würde.
Mit Hilfe eines Passbildautomaten und einiger Utensilien aus der Schreibwarenabteilung von Åhléns hatte ich den Ausweis auf mich ausgestellt, unter einem falschen Namen natürlich. Ich fand, er sah äußerst überzeugend aus. Er trug ein Hologramm, das je nach Neigungswinkel entweder das Profil Nobels oder das aktuelle Jahr zeigte. So etwas war heutzutage wohl üblich, um Fälschern das Leben schwer zu machen.
Allerdings war damit nur eine von vielen Hürden genommen. Ich verstand genug von den Methoden der Sicherheitsdienste, um mir darüber im Klaren zu sein, dass der Ausweis allein nicht genügte.
Weil es noch zu früh war, zog ich mich in das nahe gelegene Operncafé zurück und bekämpfte meine abgrundtiefe Müdigkeit mit dem stärksten Kaffee, den sie hatten. Ich behielt die Uhr im Blick und bemühte mich, an nichts mehr zu denken. Um zwanzig Uhr dreißig zahlte ich und stand auf. Letzter Akt, letzte Szene.
Während ich die Strömgatan entlang auf das Grand Hotel zumarschierte, atmete ich bewusst tiefer ein als nötig, fühlte mich in meine Rolle hinein. Ich war der Kurier, der Mann für die dringenden Fälle, derjenige, der die tausend Kleinigkeiten reparieren muss, die bei der Organisation eines solch riesigen Ereignisses nun einmal unweigerlich schief gehen. Und ich war schon den ganzen Tag auf den Beinen und fertig mit den Nerven: Für diesen Part der Rolle brauchte ich mich nicht zu verstellen.
Das Grand Hotel. Personalentré. Die Tür hatte ein Codeschloss, und ich kannte den Code nicht, also klopfte ich, ungeduldig und heftig.
Ein Sicherheitsmann öffnete, der so breit wie hoch war und sein Haar so kurz geschnitten trug, wie man es schneiden kann, ohne glatzköpfig auszusehen.
»Sie müssen mir helfen«, sagte ich fahrig und hielt ihm meinen Ausweis unter die Nase. »Großes Problem, peinliches Problem, und ich habe allerhöchstens noch eine halbe Stunde Zeit, um es zu lösen.«
Er nahm den Ausweis und hielt ihn ins Licht. »Sölve Bergman«, las er halblaut vor. »Zutritt zu allen Bereichen. Interessant.«
Ich wollte ihm nicht die Zeit lassen, darüber nachzudenken, ob es diese Kategorie überhaupt gab. »Hören Sie«, sagte ich und winkte ihn heran, eine Geste, die er ignorierte, »das, was ich Ihnen jetzt erzähle, muss absolut unter uns bleiben. Wie heißen Sie?«
»Mats Almbrandt«, gab er widerwillig Auskunft.
»Also, Mats, wie gesagt, kein Wort zu irgendjemandem.«
Ich faltete die Hände und sprach noch etwas leiser, sodass er endlich doch gezwungen war, sich zu mir vorzubeugen. »Frau Professor Hernández Cruz, die Nobelpreisträgerin in Medizin, sitzt in diesem Moment bei der Preisverleihung im Parlament. Und vor zehn Minuten ist ihr der BH gerissen.«
Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit.
»Ich weiß nicht, ob Sie das Kleid gesehen haben, das sie trägt«, fuhr ich mit gefalteten Händen fort. »Es ist jedenfalls eine Katastrophe. Deshalb muss ich jetzt in ihr Zimmer hoch, einen ganz bestimmten BH, den man mir genau beschrieben hat, aus ihrem Kleiderschrank holen, und damit zurück im Riksdagshuset sein, ehe der Empfang beim Parlamentspräsidenten anfängt.«
»Hätte man da nicht besser eine Frau geschickt?«, fragte Mats Almbrandt. Mats Almbrandt war gar nicht so dumm.
»Erstens«, erwiderte ich, »hat mein Vater ein Geschäft für Damenwäsche; ich kenne mich also
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