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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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der Medizin, in der Wissenschaft und eines Tages auch im Rest der Welt. Dass der Tag kommen würde, der das Ende von Krankheit, Krieg, Not und Hunger sah.
    In diesem Moment gingen auf der anderen Seite der Galerie die Türflügel des Versammlungsraums auf, und in einem Schwall von Worten und dröhnendem Männerlachen kamen die übrigen Mitglieder der Nobelversammlung heraus. Zeit für die Pressekonferenz.
    Marita stellte ihre Tasse weg. »Da muss ich dabei sein«, erklärte sie. Sie sah ihn noch einmal streng an. »Versprechen Sie mir, dass Sie Ihren Anzug in diese Reinigung in der Sergelgatan bringen? Bei den Hochhäusern. Unten drin, nicht zu verfehlen.«
    Hans-Olof nickte. »Versprochen.« Er sah ihr nach, wie sie durch die Lounge auf die Treppe zusteuerte, und blickte dann an sich herab. Vielleicht würde er das sogar tatsächlich tun. Der Anzug war noch gut und außerdem eine Erinnerung an seine Frau.
    Die ersten Gruppen spalteten sich ab, strebten diskutierend der Lounge und den Speiseräumen zu. Zeit, zu verschwinden. Er wollte niemanden mehr sehen, keine gute Laune verbreiten müssen, in keine Diskussionen um das Für und Wider der heutigen Entscheidung geraten.
    Unten angekommen, zog es ihn dann aber doch in die Pressekonferenz. Wenigstens einen Blick hineinwerfen wollte er, ehe er ging.
    Wie jedes Jahr an diesem Tag war das Wallenberg-Auditorium bis auf den letzten Platz besetzt. Die neugierigen Professoren der Nobelversammlung, die die Vorstellung des Laureaten miterleben wollten, drängten sich entlang der zartgelb gestrichenen Wände und kathedralenartigen Fenster. Entlang der hinteren Wand stand ein Wald von Fernsehkameras und Fotoapparaten auf Stativen aufgebaut. In den treppenförmig ansteigenden, in kräftigem Rot gehaltenen Sitzreihen kritzelten Journalisten aus aller Herren Länder eifrig ihre Notizen oder studierten die Pressemitteilung, die zwei Sekretärinnen aus dem Nobelbüro verteilten.
    Die Mitglieder des Nobelkomitees saßen auf dem Podium aus solidem Kirschholz, halbkugelförmige Leselampen aus Milchglas zwischen sich, was die Szenerie auf verwirrende Weise einer Fernsehrateshow ähneln ließ. Vor Ingmar Thunell stand ein Laptop, der mit dem Projektionssystem verbunden war. An der Wand hinter ihm leuchtete überlebensgroß ein Porträt von Sofía Hernández Cruz.
    »… das Revolutionäre ihrer Herangehensweise und der Ansatz, der schließlich zu ihren berühmt gewordenen Experimenten von Alicante geführt hat«, erklärte er gerade, »ist eine Frage, die sie sich stellte, als sie begann, über die Funktionsweise der Narkose zu forschen. Anstatt wie üblich zu fragen, ›Was ist Bewusstlosigkeit?‹ fragte Frau Hernández Cruz vielmehr: ›Was ist eigentlich Wachheit? ‹ In dieser Frage sieht sie das Kernproblem der neurophysiologischen Forschung zusammengefasst. Nicht die Verminderung der Wahrnehmung, die Wahrnehmung selbst ist das Rätsel aller Rätsel.«
    Hans-Olof entdeckte den Mann wieder, den er von der Galerie aus gesehen hatte, den mit dem zerzausten Haar und der dicken Brille. Und der wandte praktisch im gleichen Moment den Kopf, sodass sich ihre Blicke kreuzten. Eines der Gesichter, das man alle Jahre bei dieser Gelegenheit sah.
    »Hernández Cruz’ Experimente zeigen«, fuhr Thunell fort, »dass einige Phänomene, die man bisher für die Ursache von neuronalen Prozessen gehalten hat, in Wahrheit deren Folge sind.« Er sah mit einem Schmunzeln in die Runde. »Etwas, das man nicht miteinander verwechseln sollte, meine Damen und Herren. Wenn ein Wind weht, bewegen sich die Blätter an den Bäumen – trotzdem erzeugen sie den Wind nicht.«
    Das gab Gelächter.
    Hans-Olof sah, dass der Mann aufstand, die Leute neben sich in der Reihe bat, ihn durchzulassen. Was hatte das zu bedeuten? Er trat einen Schritt zurück, in den Sichtschutz eines beleibten, desinteressiert wirkenden Kameramannes.
    Zeit zu gehen. Sowieso. Und irgendwie war ihm das alles auf einmal unheimlich. Er wandte sich um, drängte hinaus, eilte durch das leere Foyer zur Garderobe, riss seinen Mantel vom Bügel, zog ihn auf dem Weg zur Tür vollends über. Nur weg.
    »Professor Andersson!«
    Jetzt nicht. Er hatte es eilig. Für den Rest des Tages wollte er nur noch Hans-Olof Andersson sein, allein erziehender Vater einer halbwüchsigen Tochter.
    »Professor Andersson, warten Sie! Ich muss Sie etwas fragen.«
    Hans-Olof sah sich um. Es war der Journalist. Die strubbeligen Haare, die dicke Brille. Er kam ihm hinterher,

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