Der Nobelpreis
keiner davon erreichen würde.
Hans-Olof zerriss die Karte in kleine Schnipsel, die er in den nächsten Mülleimer warf. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Auto. Es wurde höchste Zeit, dass er nach Hause kam und alles für Kristinas Rückkehr vorbereitete.
Auf dem Heimweg kaufte er hastig ein, ohne Rücksicht auf die Kosten oder darauf, dass vieles verderben würde, ehe sie dazu kommen würden, es zu essen. Hauptsache, es war genug von allem im Haus.
Er war beinahe erleichtert, dass Kristina noch nicht zurück war, als er ankam. Das gab ihm Zeit, alles einzuräumen und etwas vorzubereiten, als Erstes einen großen heißen Kakao zum Beispiel. Kristina trank immer Kakao, wenn es ihr nicht gut ging, und Hans-Olof hatte keinen Zweifel, dass es ihr nicht gut gehen würde nach dieser traumatischen Erfahrung. Später konnten sie gemeinsam eine Pizza machen. Kristina liebte Pizza. Wenn man sie entscheiden ließe, gäbe es jeden Tag Pizza.
Sie würden lange aufbleiben heute Abend. Reden. Vielleicht war sie wütend auf ihn, dass er sie nicht vor dem bewahrt hatte, was geschehen war. Wer konnte wissen, was man ihr erzählt, was man ihr angetan hatte? Er würde ihr viel erklären müssen.
Am besten, er entschuldigte sie noch einen Tag länger von der Schule und sich selbst von der Arbeit. Nach diesem Albtraum konnten sie nicht einfach weitermachen, als sei nichts gewesen. Es würde gut sein, gemeinsam etwas zu unternehmen, etwas, das ihr Gelegenheit gab, sich alles von der Seele zu reden. Nicht, dass er sich dieser therapeutischen Herausforderung sonderlich gewachsen gefühlt hätte, aber immerhin war er ihr Vater, er konnte einfach für sie da sein, und falls das nicht half, würde er seiner Tochter professionelle Hilfe verschaffen können, keine Frage.
Über weitergehende Konsequenzen wollte er selber noch nicht nachdenken. Er hatte sich stets sicher gefühlt in dieser Stadt, in diesem Land: Zu erfahren, dass die Polizei offensichtlich von verbrecherischen Kräften unterwandert war, war etwas, das ihn immer noch erschütterte, wenn er daran dachte.
Vielleicht würde er seine Stelle aufgeben müssen. Vielleicht war nur so zu verhindern, dass sich diese Situation nächstes Jahr wiederholte.
Aber darüber wollte er erst in ein paar Tagen nachdenken. Im Augenblick zählte nur, seiner Tochter einen schönen Empfang zu bereiten.
Und so stellte er Milchflaschen, Fruchtsäfte und Süßigkeiten bereit, schüttete neues Kakaopulver in die große Dose und verteilte Zimtschnecken auf dem Ofenblech, zum Warmmachen später. Er schnitt Zutaten für eine Pizza – Zwiebeln, Paprika, Pilze, Tomaten –, putzte Salat, rieb Käse und füllte alles in Vorratsbehälter. Er hatte gleich zwei Packungen Tiefkühlteig genommen; einen davon legte er zum Auftauen heraus, damit es schnell ging, falls Kristina großen Hunger hatte. Er hatte Brot gekauft und Kuchen, Brötchen zum Aufbacken, Kekse, Unmengen Wurst und Käse und alle Arten von Fisch in Dosen.
Doch schließlich war alles eingeräumt, umgefüllt und bereitgelegt, die Sonne draußen untergegangen und Kristina immer noch nicht zurück. Hans-Olof hatte aufgehört, in der Küche herumzufuhrwerken. Er saß auf der Couch, reglos, hypnotisierte das Telefon, starrte es mit einem Gefühl in der Brust an, als müsse sein Herz in dem Moment zerreißen, in dem der Apparat klingelte.
Kurz vor acht klingelte er, aber sein Herz zerriss nicht, und so hob er ab.
»Guten Abend, Professor.« Die kehlige Stimme. »Ich freue mich, dass alles wie besprochen vor sich gegangen ist. Wie man mir sagt, waren Sie sogar der Erste, der die Hand für Frau Hernández Cruz gehoben hat. Wir sind sehr zufrieden mit Ihnen.«
»Wo ist meine Tochter?«, fragte Hans-Olof und hatte das Gefühl, innerlich zu vereisen.
»Es geht ihr gut, keine Sorge.«
»Warum ist sie noch nicht wieder zu Hause?«
»Warum sollte sie?«
»Es war ausgemacht, dass Sie sie freilassen, wenn ich für Ihre Kandidatin stimme.«
Die Stimme bekam einen stählernen, erbarmungslosen Unterton. »Nein, ich fürchte, das war nicht ausgemacht. Ausgemacht war, dass ihr nichts passiert, wenn Sie kooperieren.«
»Was?«, entfuhr es Hans-Olof keuchend. Er hatte vorgehabt, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, aber das wollte ihm nicht gelingen.
»Aber Professor Andersson«, meinte die kehlige Stimme tadelnd. »Versetzen Sie sich doch einmal in meine Lage. Ich weiß, dass Sie ein äußerst moralischer Mensch sind, ein Mann mit
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