Der Nobelpreis
so raschen Schrittes, dass ein Entkommen unmöglich schien.
KAPITEL 11
Es gab in der Tat kein Entkommen. »Lassen Sie mich«, fauchte Hans-Olof und schritt aus, so rasch er konnte. Aber er war einundfünfzig und sein Verfolger höchstens Mitte zwanzig; es war ein unfairer Kampf.
»Warum Sofía Hernández Cruz, Professor Andersson?«, fragte der Mann ein ums andere Mal, neben ihm hertänzelnd, nicht einmal außer Atem.
Schließlich blieb Hans-Olof stehen. »Sie hätten in der Pressekonferenz bleiben sollen«, stieß er hervor. »Die ist nämlich dazu da, genau das zu erklären.«
Der Mann schüttelte grinsend den Kopf. »Eben nicht. Dort wird nur erklärt, warum Professor Hernández Cruz den Nobelpreis in Medizin verdient hat. Es wird nicht erklärt, warum ausgerechnet sie gewählt wurde.«
»Weil die Mehrheit der Nobelversammlung für sie gestimmt hat. Ganz einfach.«
»Ah, ja.« Das Grinsen des Mannes schien nicht abstellbar zu sein. »Aber warum hat die Mehrheit für sie gestimmt? Das frage ich mich. Sehen Sie, ich habe die letzten Monate damit verbracht, Professoren dieses angesehenen Instituts zu interviewen, und ich war immer wieder erstaunt, was für negative Reaktionen es ausgelöst hat, wenn ich in einem Nebensatz Sofía Hernández Cruz und ihr Experiment erwähnte.«
Hans-Olof spürte, wie sein Atem sich allmählich beruhigte. Der Mann hatte natürlich Recht. Genau das war die allgemeine Stimmung gewesen. »Erwarten Sie im Ernst, dass ich das jetzt kommentiere?«, fragte er dennoch zurück.
Der Journalist fuhr sich mit der Hand durch das wilde Stroh seiner Haare. »Hatte ich gehofft, offen gestanden.«
Hans-Olof schüttelte den Kopf. »Sie wissen, dass wir über den Verlauf des Auswahlverfahrens Stillschweigen bewahren. Das, was Sie ›negative Reaktionen‹ nennen, wird schlicht und einfach Verärgerung gewesen sein, weil Sie versucht haben, Ihre Gesprächspartner auszuhorchen.« Das glaubte er zwar selber nicht, aber es klang gut. Es war eine vertretbare Antwort für den Fall, dass sein Gegenüber von den Entführern Kristinas beauftragt worden war, ihn auf die Probe zu stellen.
»Das war keine Verärgerung, und ich habe auch niemanden ausgehorcht. Das war guter alter Machismo, nichts weiter. Diese alten Männer hassen den Gedanken, ausgerechnet eine Frau könnte die Neurophysiologie in einer Weise revolutionieren wie vor ihr höchstens ein Max Planck die Physik.« Sein ewiges Grinsen verlor ein wenig an Impertinenz, dafür trat ein harter Glanz in die Augen hinter der schwarzen Hornbrille.
»Ich frage mich, was passiert ist, dass sie ausgerechnet bei der Abstimmung anderen Sinnes geworden sind.«
Hans-Olof betrachtete ihn mit einem Gefühl wachsender Hilflosigkeit. Würde er ihn denn überhaupt nicht mehr loswerden? Je länger dieses Gespräch dauerte, desto größer wurde die Gefahr, dass er sich verplapperte. »Ich kann dazu nichts sagen. Die Statuten gebieten uns allen, über interne Vorgänge zu schweigen.«
Der andere musterte ihn skeptisch. »Ich habe das Gefühl, dass da irgendwelche seltsamen Dinge vor sich gehen.«
»In der Wissenschaft zählen Fakten, nicht Gefühle.«
Der Mann nickte nachdenklich, sah sich dann um, als lägen irgendwo noch hilfreiche Argumente herum. »Sie werden vielleicht lachen«, sagte er schließlich, »aber ich bin Journalist geworden, weil ich als Jugendlicher den Film ›Die Unbestechlichen‹ gesehen habe. Bernstein und Woodward sind meine Idole, auch heute noch. Und wenn der Nobelpreis irgendwann sein Watergate haben sollte« – er sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an; von seinem Grinsen war nichts mehr übrig – »dann will ich derjenige sein, der es aufspürt.«
Hans-Olof beschloss, das Gespräch zu beenden.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er.
Der Journalist zückte eine Visitenkarte. »Hier. Falls Sie mir doch irgendwann etwas erzählen wollen.«
»Nein«, wehrte Hans-Olof ab. »Danke.«
Der Mann trat auf ihn zu, ehe er reagieren konnte, und schob ihm die Karte einfach in die Brusttasche. »Für alle Fälle«, grinste er. »Man kann nie wissen.«
Dann drehte er sich um und ging.
Hans-Olof sah ihm nach, bis er wieder im Eingang des Nobelforums verschwunden war. Dann zog er die Karte aus der Brusttasche und betrachtete sie.
Bengt Nilsson hieß er also. Reporter des SVENSKA DAG-BLADET. Neben zwei E-Mail-Adressen standen insgesamt nicht weniger als sechs Telefonnummern, was aller Erfahrung nach bedeutete, dass man ihn im Ernstfall unter
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