Der Nobelpreis
umbringen.«
»Ach so, natürlich«, erwiderte die Frau hastig. »Ich verstehe. Großer Gott, in meinem Kopf geht alles durcheinander. Die ganze Zeit überlege ich, was Kristina an Stoff versäumt und so weiter, dabei muss man sich sorgen, ob sie am Leben bleiben wird, nicht wahr?«
Hans-Olof dachte an die unbekannten Gangster und dass er nicht wusste, ob sie Kristina nicht doch etwas angetan hatten. »Ja«, sagte er. »Das muss man.«
»Wie furchtbar. Und wie plötzlich das kommen kann, von heute auf morgen …«
»Ja.« Hans-Olof räusperte sich. »Ich rufe eigentlich auch an, um zu fragen, ob Sie dazu etwas Schriftliches brauchen?«
»Wie? Oh, ja, richtig. Sie haben Recht. Natürlich, diese Dinge müssen trotz allem bedacht werden, nicht wahr? Doch, ich fürchte, ich brauche etwas Schriftliches.«
»Genügt es, wenn ich ein Attest schreibe, oder brauchen Sie etwas von der Klinik?« Er hielt den Atem an.
»Etwas von der Klinik wäre gut.«
Hans-Olof verzog das Gesicht. Das hatte er befürchtet, und er hatte noch keine Ahnung, wie er ein solches Dokument beibringen sollte. Vielleicht war es am besten, wenn er erst einmal auf Zeit spielte. »Gut. Dann werde ich so etwas besorgen. Es kann vielleicht ein paar Tage dauern, die stellen sich ziemlich an, aber ganz so eilig wird es nicht sein, oder?«
»Nein, nein«, fühlte sie sich endlich bemüßigt, ihn zu entlasten. »Sie haben jetzt ja auch andere Sorgen. Ich brauche es eben irgendwann.«
Das versprach er ihr, dann legte er auf und merkte, dass seine Hände bebten. Hoffentlich hatte er nichts übersehen. Hoffentlich schöpfte niemand Verdacht.
Das zweite Problem hieß Aimée und war seine Haushälterin. Eine kugelrunde, dunkelhäutige Marokkanerin schwer bestimmbaren, aber nicht mehr allzu jungen Alters, ihren ergrauenden Krauslocken nach zu urteilen. Sie kam zweimal die Woche und kümmerte sich um all das, was Hans-Olofs eher beschränkten haushälterischen Fähigkeiten entging. Sie pflegte immer nachmittags zu kommen und war es gewöhnt, Kristina in die Arbeit mit einzubeziehen, weil sie der unverrückbaren Ansicht war, ein Mädchen müsse beizeiten lernen, wie man einen Haushalt führt. Hans-Olof hatte sich dieser Meinung bereitwillig angeschlossen, zum Missfallen seiner Tochter zwar, aber in der Hoffnung, dass es ihr einmal zugute kommen würde.
Keine Frage, dass Aimée unpassende Fragen stellen würde.
Er musste sie daran hindern, zu kommen. Gleichzeitig wollte er verhindern, sie zu verlieren. Falls, was er mit schmerzhafter Intensität hoffte, Kristina nach Hause kam, konnte es nur von Vorteil sein, wenn sie ihre altgewohnte Umgebung so unverändert wie möglich vorfand.
Es verbot sich folglich, Aimée einfach zu entlassen. Und es verbot sich erst recht, ihr zu erzählen, Kristina sei sterbenskrank, weil nichts in der Welt Aimée in einem solchen Fall davon abhalten würde, alle Krankenhäuser Stockholms oder notfalls ganz Schwedens nach ihr abzusuchen.
»Meine Schwester wird die nächsten zwei Monate bei uns wohnen«, erklärte er ihr stattdessen, als er sie am Telefon hatte. »Ihr Mann muss sich am Karolinska-Krankenhaus einer schweren Operation unterziehen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwester haben«, erwiderte Aimée. Sie war zu Recht verblüfft, denn Hans-Olof hatte in der Tat keine Schwester.
»Es ist, ähm, eine Halbschwester. Wir verstehen uns nicht so besonders und haben normalerweise so gut wie keinen Kontakt.« Er räusperte sich. »Nun, es ist so, dass sie darauf besteht, mir den Haushalt zu führen, solange sie hier ist. Ich wage es nicht, ihr das abzuschlagen, sonst wird sie vollends unerträglich. Deshalb wollte ich Sie bitten, die nächsten zwei Monate nicht zu kommen. Ich bezahle Ihnen trotzdem fünfzig Prozent Ihrer normalen Bezüge als Ausfallentschädigung, selbstverständlich«, beeilte er sich hinzuzufügen.
Am anderen Ende der Leitung war ein äußerst unzufriedener Seufzer zu hören. »Nicht, dass Sie denken, ich sei geldgierig, aber es ist nun mal so, dass ich für die nächsten zwei Monate meine Heizung nicht auf die Hälfte runterdrehen kann und meine Miete auch nicht. Und meine zwei Buben essen sowieso mehr mit jedem Tag, den Gott werden lässt.«
»Ja, ich verstehe schon. Wie wäre es mit siebzig Prozent?«
Schließlich einigten sie sich auf achtzig Prozent, womit Hans-Olof zufrieden war, der auch bereit gewesen wäre, ihr notfalls das volle Gehalt fortzuzahlen – die Verhandlung hatte er
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