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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wrack dort hinten, das vor Jahrhunderten einmal ein Fiat gewesen sein mag?«
    »Lars.«
    »Gut. Und jetzt denk an alle, die in der Abstimmung die Hand für Sofía Hernández Cruz gehoben haben, und schau dir an, was sie für Autos fahren.«
    Hans-Olof tat, wie ihm geheißen. Mit einem Gefühl, als löse sich der feste Boden unter ihm auf, erkannte er, dass mit Ausnahme von Marita Ailing und ihm praktisch alle, die für Sofía Hernández Cruz gestimmt hatten, teure, neue Autos fuhren, während die anderen mehr oder weniger alte, gebrauchte, nur mühsam über die Jahre gerettete Fahrzeuge ihr Eigen nannten.
    »Das ist nicht wahr«, entfuhr es ihm.
    »Es ist wahr«, sagte Bosse Nordin. »Du weißt es selbst. Vom Gehalt eines Wissenschaftlers kann man sich solche Autos nicht leisten.«
    Hans-Olofs Atem ging auf einmal nur noch stoßweise. »Sie sind bestochen? Alle?«
    »Willkommen in der Wirklichkeit. Willkommen im Club der Eingeweihten.«
    »Aber …? Bosse, wie ist das möglich? Du? Deine Börsentipps? Alles Schwindel?«
    »Hilflose Versuche, die Unabhängigkeit zurückzuerlangen.«
    Hans-Olof hatte das Gefühl, sich setzen zu müssen. Nein, am liebsten hätte er sich hingelegt. Er tastete nach Tabletten, aber die waren alle weit weg in seiner Schreibtischschublade.
    »Und wie lange geht das schon so?«
    »Jahre«, bekannte der Zellphysiologe. »Erspare es mir, sie nachzuzählen.«
    »Aber wieso? Ich meine … Geld ist doch nicht alles. Wir sind Wissenschaftler, Bosse, ich bitte dich. Wieso?«
    »Angefangen hat es ganz harmlos. Solche Dinge fangen immer ganz harmlos an, weißt du? Sie tasten sich an dich heran, loten aus, wie weit du zu gehen bereit bist, locken dich über eine Schwelle nach der anderen. Zuerst sind da Einladungen zu Vorträgen, völlig unverdächtig, absolut korrekt. Nur dass das Hotelzimmer ein klein wenig luxuriöser ist als üblich und das Flugticket erster Klasse statt Business-Class, aber so was lässt man sich ja gefallen, nicht wahr? Irgendwann ist man auf einmal Hauptredner, wundert sich, wieso. Das Vortragshonorar ist atemberaubend, und zufällig kommt man an dem Abend mit einem Steueranwalt ins Gespräch, der auf eine Art und Weise aus dem Nähkästchen plaudert, dass man sich wie ein Idiot vorkommt, wenn man an seine Steuern denkt. Und am nächsten Tag schlagen die Veranstalter vor, den größten Teil des Honorars in bar und ohne Quittung auszuzahlen, es in Luxemburg oder Gibraltar zu investieren, in diversen Fonds und Aktien und so weiter, und man nickt und sagt ja und hat das Gefühl, dass man endlich auch dazugehört, dass man endlich einer von denen ist, die wissen, wie man es anpacken muss, das Leben …«
    Hans-Olof konnte kaum glauben, was er hörte. »Und dann?«
    »Es ist die ganze Zeit gut gegangen. Und es hat nicht wehgetan. Ab und zu ein Gefälligkeitsgutachten, okay, aber das Sparkonto in der Schweiz wächst, also was soll’s? Eine kleine Auskunft unter Freunden? Scheiß auf die Vorschriften, wenn der nächste Vortrag in Thailand stattfindet.« Bosse hielt inne, nickte sinnend. »Alles Kinderkram natürlich. Im Grunde war mir von Anfang an klar, dass die langfristig vorhatten, einen Nobelpreis zu kaufen.«
    »Die?«, stellte Hans-Olof die Frage, die er schon die ganze Zeit hatte stellen wollen. »Wer sind die? «
    »Rütlipharm natürlich. Schweizer Firma, dieselbe Ecke wie weiland Hoffmann-LaRoche, bloß dass Rütlipharm ein vergleichsweise kleines Unternehmen ist, das in ständiger Gefahr schwebt, von einer der großen Firmen geschluckt zu werden. Pfizer, Merck, Glaxco – die stehen alle in den Startlöchern, mit Kriegskassen größer als die Verteidigungsetats mancher Länder. Mit anderen Worten, Rütlipharm brauchte eine langfristige Strategie, um den Börsenkurs steigen zu lassen.«
    »Den Nobelpreis.«
    »Ich schätze, das war das Herzstück dieser Strategie. Ich habe die Kurse verfolgt. Plus zweiunddreißig Prozent seit der Bekanntgabe. Umgerechnet auf die Marktkapitalisierung sind das … ich weiß nicht, Milliarden jedenfalls. Damit steht Rütlipharm so gut da wie noch nie. Und das ist sicher erst der Anfang.«
    Hans-Olof spürte etwas in den Tiefen seines Unterleibs, ein schwarzes, bodenloses Gefühl, das nur entsetzliche Angst sein konnte. Kristina und er waren also in Machenschaften verwickelt, bei denen es um Milliarden ging. Das erklärte die rücksichtslose Entschlossenheit, mit der die Unbekannten gehandelt hatten.
    Und es ließ das Schlimmste befürchten

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