Der Nobelpreis
Anleitungsbuches gekritzelt. Ich tippte die vier Ziffern ein, und damit schien das Gerät so weit zufrieden zu sein. Was nun? Versuchsweise drückte ich eine der breiten Pfeiltasten in der Annahme, dass einer so großen Taste besondere Bedeutung zukommen müsse. Prompt erschien das Wort bekymmerfader, Sorgenvater, auf dem Display. Dann kam ich an irgendeinen anderen Knopf, keine Ahnung, welchen und ob das überhaupt wichtig war, jedenfalls begann das Telefon zu wählen. Hans-Olof hatte offensichtlich vorsorglich seine eigene Nummer einprogrammiert. Ich hob das Gerät ans Ohr, und tatsächlich, ich hörte ihn »Hallo? Bist du das, Gunnar?« rufen.
»Ja, allerdings«, rief ich und sprang auf. »Aber so habe ich mir das nicht vorgestellt!« Mein Blick fiel durchs Fenster. Auf der anderen Seite hatte die Frau ihre Hose ausgezogen und stand mit nackten Beinen vor dem Spiegel, im Begriff, sich die Bluse aufzuknöpfen.
»Wo bist du?«, wollte Hans-Olof wissen. »Im Hotel, nehme ich an. Stimmt etwas nicht damit? Ist es nicht in Ordnung?«
»Ach was«, erwiderte ich und verfolgte, wie die Frau die Bluse abstreifte. Sie trug keinen BH, trotz beachtlicher Oberweite. »Das Hotel ist okay, das übliche Revier der Schönen und Reichen. Abgesehen davon, dass ich hier völlig fehl am Platze bin, ist natürlich für jeden Luxus gesorgt.«
»Gut«, sagte er. »Das freut mich.«
Mir wurde klar, dass ich besser daran getan hätte, vom Fenster wegzugehen und mich auf das Gespräch zu konzentrieren, aber ich brachte es einfach nicht über mich. Gebannt sah ich zu, wie die Frau einen Kleiderbügel aus dem Schrank nahm und ihre Bluse sorgsam daraufhängte und wie ihre Brüste dabei wogten. Nebenbei erklärte ich Hans-Olof, ich könne unmöglich jede Stunde mit ihm telefonieren. »So kann ich mich nicht konzentrieren«, sagte ich und ließ meine Augen nicht von dem hellgelb ausgeleuchteten Fenster auf der anderen Seite des Innenhofes, hinter dem die Frau, die dunkelhaarig war und vielleicht Anfang vierzig sein mochte, seelenruhig ihren Slip abstreifte.
»Ja, ich verstehe, ich verstehe«, quengelte Hans-Olof in meinem Ohr. »Ich wollte nur … Du musst mir versprechen, dass du mich informierst, ehe du irgendetwas unternimmst. Hörst du? Versprichst du mir das?«
Die Rundung ihres Hinterns nahm einem den Atem. Ihre Brüste wippten und bebten, während sie im Zimmer umherging, ihren Slip verstaute, Duschutensilien zusammensuchte oder was auch immer. »Von mir aus«, sagte ich. »Ich verspreche es.«
»Danke. Ich will dich dann auch nicht weiter aufgeilen …«
»Was?«, schnappte ich. »Was hast du gerade gesagt?«
Hans-Olof zögerte irritiert. »Ich habe gesagt, ich will dich nicht weiter aufhalten. Ist die Verbindung schlecht? Ich höre dich gut.«
Sie verschwand in der Tür zum Bad. Ich hatte das Gefühl, dass meine Netzhaut brannte. »Nein, die Verbindung ist okay. Es war nur …« Ja, was? Ich hatte keine Ahnung und auch keine Lust, darüber nachzudenken. »Hör zu, ich muss jetzt ein paar dringende Sachen erledigen. Ich melde mich, ehe ich unseren Freunden den Besuch abstatte, über den wir gesprochen haben.« Ich brachte es, digital hin, verschlüsselt her, nicht fertig, an einem Telefon Klartext zu sprechen. Eingefleischte Gewohnheit eines misstrauischen Menschen.
»Gut. Soll ich mich melden, falls Kristina anruft?«
Ich überlegte mühsam. Meine Konzentration war zum Teufel, und es war nicht Hans-Olofs Schuld. »Im Augenblick unnötig«, meinte ich fahrig. »Das müssen wir wahrscheinlich sowieso anders machen. Ich muss mir irgendetwas ausdenken, wie ich unauffällig bei dir vorbeikommen und ein Tonband installieren kann.«
»Ein Tonband?«
»Es wäre gut, wenn wir die Gespräche aufnehmen könnten. Aber darüber reden wir ein andermal.«
»Was soll das bringen?«
»Nicht jetzt, Hans-Olof. Ich habe erst anderes zu erledigen.«
Er klang verschnupft. »Okay. Aber du rufst an, ehe du etwas Wichtiges unternimmst?«
»Ja, ich rufe an, ehe ich etwas Wichtiges unternehme. Hejd å . «
Ich nahm das Telefon vom Ohr. Dass die Taste mit dem roten Hörer in aufgelegter Position die Verbindung beendete, war nicht schwer zu erraten. Um herauszufinden, wie man das Gerät ganz ausschaltete, musste ich noch einmal das Handbuch konsultieren, aber schließlich war auch das geschafft.
Gut. Es wurde Zeit, dass ich etwas Wichtiges unternahm. Ich packte die nötigsten Utensilien in meine Jacke, versteckte die Tasche unter dem Bett –
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