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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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insgeheim Betrug und Zechprellerei witternd.
    »Ich arbeite in der Entwicklungshilfe«, erwiderte ich ohne großes Nachdenken. »Da lernt man, mit leichtem Gepäck zu reisen.« Wie es schien, funktionierte meine Begabung für abstruse Ausreden noch bestens.
    Er nickte heftig, beeindruckt und besorgt zugleich. »Ach so, ich verstehe …«, sagte er, während er eifrig mit der Maus herumklickte und auf seinen halb im Tresen versenkten Bildschirm starrte. »Es ist nur so, dass …« Da erhellte Erleichterung sein blasses Gesicht wie ein Blitzlicht. »Ah, ich sehe gerade, Ihr Zimmer ist bereits für drei Tage bezahlt. Gut, dann hat sich das erledigt.« Er fuhrwerkte aufatmend weiter. Ob ich ein Raucher-oder ein Nichtraucherzimmer wünsche?
    »Nichtraucher«, erwiderte ich inbrünstig. Ich hatte sechs Jahre unter Zigarettensüchtigen verbracht und konnte den Gestank nicht mehr ertragen.
    »Wunderbar. Sie hätten dann Zimmer Nummer 206 im zweiten Stock. Wenn Sie aus dem Aufzug kommen, rechts.« Er schob mir eine schneeweiße Plastikkarte mit Magnetstreifen hin. »Das ist Ihr Schlüssel.«
    Die Kollegin, der er sich vor meinem störenden Auftauchen gewidmet hatte, war hinter ihn getreten. Mit spöttischem Lächeln tippte sie auf etwas, das der Bildschirm anzeigte, worauf der Jüngling erschrocken die Luft einsog.
    »Oh, das hätte ich fast vergessen«, stieß er, rot werdend, hervor. »Es liegt eine Nachricht für Sie vor.« Mausklick. »Ein Herr, ähm, Sorgenvater bittet Sie, doch Ihr Mobiltelefon einzuschalten.« Er grinste verzeihungsheischend.
    Sorgenvater? Ich hatte nicht geahnt, dass mein missliebiger Schwager ein so phantasievoller Mensch war. Ich begann, die Geschichte mit den Telefonen zu bereuen. »Sonst noch was?«, fragte ich missgelaunt.
    »Das war alles, Herr Doktor Forsberg. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.«
    Ich nahm die Schlüsselkarte an mich. »Werden wir sehen«, meinte ich und schlug den Weg zu den Aufzügen ein.
    Auf dem Weg dorthin blieb mein Blick an einer Glastrennwand hängen, hinter der doch wahrhaftig eine Mauer aus Eisblöcken aufgestapelt zu sein schien. Was um alles in der Welt war das? Ich hielt inne, besah es mir näher. Kunst? Ein ernst gemeint aussehendes Schild nannte die Installation » Nordpol-Bar « . Ich spähte durch eines von drei Gucklöchern ins Innere, sah Stehtische aus massivem Eis, desgleichen eine Bartheke aus grob zugehauenen Eisklötzen, auf der klobige Trinkgefäße aufgereiht standen, die gut und gern ebenfalls aus Eis bestehen mochten.
    Also doch Kunst. Ich wandte mich schaudernd ab und setzte meinen Weg zu den Aufzügen fort.
    Das Zimmer war kleiner, als es meine Zelle gewesen war, dafür aber geradezu unanständig komfortabel eingerichtet. Bett, Schreibtisch, Schränke, Teppich, alles massiv und vom Feinsten. Das Bad war in kühlem Weiß gekachelt und bildete zusammen mit sorgsam gefalteten und gestapelten Handtüchern in den Farben Hellblau und Dunkelbraun gewissermaßen ein begehbares Firmenlogo. Hinter einer Schranktür ließ sich ein Bügelbrett herabklappen, und ein Hinweisschild erklärte, wie man das Selberbügeln mit Hilfe des Etagenservice umgehen konnte. Es gab auch eine Preisliste des Zimmers, aber ich vermied es, sie allzu genau zu studieren.
    Das Fenster ging auf einen großen Innenhof, den das Hotel zu etwa zwei Dritteln umschloss. Man sah auf bekieste Dächer mit elfenbeinfarbenen Oberlichtern. Gegenüber konnte ich in ein anderes Hotelzimmer sehen, das hell erleuchtet war, genauso aussah wie meines und in dem eine Frau gerade ihren Pullover auszog. Ich ließ den Vorhang zugleiten und beobachtete sie weiter, aber sie faltete den Pullover nur zusammen, legte ihn in den Schrank und fing an, den Inhalt ihres Koffers ebenfalls auf die Fächer zu verteilen.
    Nun ja. Ich setzte mich aufs Bett, zurrte meine Tasche auf und förderte die Unterlagen zutage, die Hans-Olof mir gegeben hatte. Der dickste Stapel Papier war die Bedienungsanleitung des Mobiltelefons. Ich blätterte sie kurz durch und erkannte, dass es mit kurzem Durchblättern nicht getan sein würde; die winzigen Geräte warteten mit einer derartigen Unmenge von Funktionen auf, dass auf die Schnelle unmöglich herauszufinden war, wie man damit einfach nur telefonierte.
    Ich fing noch einmal von vorne an, blätterte langsamer. Ganz am Anfang stand immerhin, wie man es einschaltete. Das tat ich, worauf der Bildschirm einen PIN-Code verlangte. Den wiederum hatte Hans-Olof auf den Umschlag des

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