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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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noch eine Gewohnheit eines misstrauischen Menschen – und ging.

KAPITEL 19
    Nichts einzuwenden war gegen die Lage des Hotels. Alles, was ich brauchte, lag in walking distance.
    Das war auch gut so, denn es war noch kälter geworden als am Mittag, und meine alte Jacke taugte immer noch nichts. Bis Norrmalm waren es knapp fünfhundert Meter, aber ich hatte das Gefühl, keine Hosen mehr anzuhaben, als ich die Brücke über die Malmskilnadsgatan überquerte. Ich musste mir dringend bessere Klamotten besorgen.
    Zuvor und dringender aber brauchte ich etwas anderes: Informationen.
    Alles, was ich im Augenblick hatte, war der Name Rütlipharm und der Bericht eines Mannes, der vor Angst zitterte. Nicht gerade viel, wenn es galt, ein bis zwei Leben zu retten. In meinem Geschäft sind Informationen das alles Entscheidende, und so wenig davon zu haben beunruhigte mich zutiefst. Noch nie war ich an ein Projekt so überhastet herangegangen wie an dieses.
    Allerdings hatte auch noch nie zuvor so viel auf dem Spiel gestanden wie diesmal.
    Ich wollte in die Stockholmer Niederlassung eines Konzerns einbrechen, von dem ich im Augenblick nicht mehr wusste als den Namen und dass er Medikamente produzierte. Normalerweise hätte ich für ein solches Unternehmen mindestens vier Wochen Vorbereitungszeit einkalkuliert, die ich in Bibliotheken, Zeitungsarchiven und vor allem in der Umgebung des Gebäudes zugebracht hätte. Ich hätte gelesen, fotografiert, nachgedacht, Unterhaltungen belauscht und Fahrzeuge verfolgt, und wenn es dann losgegangen wäre, hätte ich alles über die betreffende Firma gewusst, was es auf legalem Wege zu wissen gab, und noch einiges darüber hinaus.
    Doch diesmal hatte ich keine vier Wochen. Ich hatte nicht einmal eine. Ich war entschlossen, spätestens übermorgen, besser schon morgen Abend etwas zu tun, das mich für den Rest meiner Tage hinter Gitter bringen würde, falls es schief ging. Ich würde mir alles an Informationen besorgen, was ich bis dahin kriegen konnte, und mich ansonsten auf meine Erfahrung verlassen müssen.
    Die hoffentlich noch etwas wert war in diesen modernen Zeiten.
    Der Zugang zum Zeitungsarchiv des AFTONBLADET wenigstens war noch genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte: eine schmale, rot lackierte Stahltür mit runden Glasfenstern, um die Ecke vom Haupteingang und ein paar Treppenstufen tiefer als die Straße gelegen. Sie quietschte, als ich sie öffnete, kein bisschen anders, als sie gequietscht hatte, als ich das letzte Mal hier gewesen war. In einem anderen Jahrtausend.
    Betäubende Wärme umfing mich. Die Regale mit den gebundenen Jahrgängen, die langen weißen Tische, die abgehängten Lampen darüber und die Mikrofilmgeräte entlang der Wände – alles war noch wie früher. Auch der Geruch nach Staub, altem Papier und den Ozonausdünstungen des Kopierers war unverändert. Bloß das Gesicht hinter der Theke kannte ich nicht: Auf einem Stuhl saß eine junge Asiatin mit enormen Brüsten, die in völlig unverantwortlicher Weise unter einem dünnen T-Shirt wogten. Sie glotzte mich stumpf an, als ich hereinkam, ohne in ihrer Beschäftigung, dem Kauen eines hellblauen Kaugummis, innezuhalten.
    »Arbeitet Anders Östlund nicht mehr hier?«, fragte ich.
    »Kommt gleich wieder«, sagte sie in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, wie scheißegal ihr das war. »Holt bloß was zu essen.«
    Wenigstens war Östlund noch zuständig. Auf die Schnelle hätte ich nicht gewusst, wie ich dieses Mädchen dazu hätte bringen sollen, das zu tun, was ich von ihr wollte. Besser gesagt, vom Archiv des AFTONBLADET.
    Eine Zeitung hat genau genommen immer zwei Archive. In einem wird von jeder jemals erschienenen Ausgabe ein Exemplar aufbewahrt, sorgsam zu großen Büchern gebunden oder auf Mikrofilm gespeichert oder beides, und dieses Archiv ist in aller Regel für jedermann zugänglich, der aus irgendwelchen Gründen alte Zeitungsmeldungen nachschlagen möchte. Das andere Archiv – was mich anbelangte, das interessantere – steht nur den Journalisten der jeweiligen Zeitung selbst zur Verfügung. Es enthält das Rohmaterial zu den späteren Zeitungsartikeln: Originalabschriften von Interviews, Gesprächsnotizen, Ergebnisse von Recherchen, Kopien, Fotos, jede Menge höchst vertraulicher Dinge.
    Reines Gold also für jemanden, der im Informationshandel tätig war.
    Ich wartete. Außer mir war nur noch ein Besucher da, einer von der Sorte, die in Zeitungsarchiven zu wohnen scheinen: ein alter Mann mit

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