Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
strohigen Haaren, der zwei abgeschabte Wintermäntel neben sich auf dem Stuhl liegen hatte. Er blätterte andächtig in einem Band und machte sich immer wieder Notizen mit einem Bleistift, den er vor dem Schreiben jedes Mal gemächlich mit der Zunge anfeuchtete.
    Und er roch, gelinde gesagt, streng. Ich vertrieb mir die Zeit am entgegengesetzten Ende des Leseraums mit den letzten Ausgaben des AFTONBLADET, in der Nähe der leise röchelnden Klimaanlage. Nach einer Weile tauten sogar meine Beine wieder auf und fingen an zu kribbeln.
    Etwa fünfzehn Minuten später tauchte Östlund auf, eine große braune Tüte in der Hand. Er war deutlich gealtert, hatte sich einen Oberlippenbart zugelegt, der ihm nicht stand, und er besaß noch immer diesen herablassenden Blick. Er hatte es in zwanzig Jahren nicht aus dem Zeitungsarchiv hinaus geschafft, aber er hielt sich noch immer für oberschlau.
    Er entdeckte mich sofort. Er stellte seine Tüte weg und schob seinen aufgedunsenen Leib durch die Tresenklappe.
    »Was machst du denn hier?«, brummte er, nachdem er mir die Hand in einer Weise geschüttelt hatte, für die das Wort ›gönnerhaft‹ erfunden worden sein muss. »Ich dachte, du wohnst noch auf Kosten des Königs?«
    »Der König muss sparen«, erwiderte ich.
    Er kniff die Augen zusammen. »Lass mich raten. Du bist nicht hier, um die Schlagzeilen der letzten sechs Jahre nachzulesen.«
    »Würde sich das denn lohnen?«
    »Kaum.« Er sah sich kurz um und senkte die Stimme noch ein bisschen. »Es ist mittlerweile alles teurer geworden, das ist dir klar, oder?«
    »Wie viel?«
    »Viertausend.«
    Ich setzte mein Pokerface auf. Ich hatte keine viertausend Kronen, im Moment zumindest nicht. Und wenn die Alternative, nachzugeben, nicht in Frage kommt, bleibt einem nur, eisern zu verhandeln.
    »Zweitausend«, sagte ich.
    Er schnaubte mir seinen nach Magenbeschwerden riechenden Atem ins Gesicht. »Machst du Witze? Ich riskiere doch nicht meine Rente für schlappe zweitausend Kronen.«
    »Ich war immer ein guter Kunde, ich hab’s eilig, und ich sitze in der Klemme«, erwiderte ich. »Zweieinhalbtausend. Außerdem ist es nichts Großartiges.«
    Östlund fing an, an seinem wabbeligen Kinn herumzukneten, und tat so, als zögere er. Aber ich kannte ihn. Immer, wenn er sich ins Gesicht fasste, war die Entscheidung schon gefallen.
    Er drehte sich zu dem Mädchen um. »Ann-Li? Du kannst dir jetzt auch was zu essen holen gehen.«
    Sie sah ihn kaugummikauend an. »Ich hab keinen Hunger.«
    Östlund gab einen Knurrlaut von sich. »Dann geh deine Nase pudern, okay?«
    Sie wollte noch etwas sagen, zog es aber dann doch vor, einfach nur vom Stuhl zu rutschen und mit Schmollmund nach hinten zu verschwinden. Ein Parka raschelte, gleich darauf schlug eine Tür zu.
    »Okay, was willst du wissen?«
    Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Alten in der Ecke. »Was ist mit ihm?«
    »Taub wie Stein. Und er tut nicht nur so, keine Sorge.«
    Ich fragte mich flüchtig, wie er das herausgefunden haben mochte, beschloss dann aber, dass es keine Rolle spielte. Ich zog mein Geld aus der Tasche, zählte zweitausendfünfhundert Kronen ab und schob sie in Östlunds ausgestreckte Hand. »Rütlipharm. Alles, was du finden kannst.«
    Er hob eine Augenbraue. »Die Schweizer Pharmafirma? Bei der die neue Nobelpreisträgerin arbeitet?«
    »Genau die.«
    »Du warst schon origineller.«
    »Kommt sicher wieder«, sagte ich. »Sobald ich mir deine Preise leisten kann.«
    Er musste regelrecht arbeiten für sein Geld. Nach einer kleinen Ewigkeit kam er mit zwei Mappen aus den hinteren Räumen zurück, deren Inhalt er durch den Kopierer jagte. Währenddessen befragte er seinen Computer, was noch einmal einen Stoß Ausdrucke einbrachte, und obendrauf gab es dutzendweise Abzüge von Mikrofilmen: Die Firma Rütlipharm schien allerhand Schlagzeilen gemacht zu haben.
    »Bitte sehr«, meinte Östlund, als er mir das Bündel, in eine gebrauchte Büromappe gepackt und mit Gummiband verschnürt, über die Theke schob. »Ehrlich gesagt glaube ich aber, das hättest du alles auch billiger in Erfahrung bringen können.«
    Ich nahm die Mappe mit der jähen Ahnung an mich, dass mir ihr Inhalt kein bisschen weiterhelfen würde. Ein Gefühl, das ich jetzt absolut nicht brauchen konnte.
    Etwas fiel mir ein. »Sag mal, bei eurer Konkurrenz ist vor ein paar Wochen ein junger Reporter ganz überraschend verstorben. Bengt Nilsson, vom SVENSKA DAGBLADET. Weiß man da Näheres? Woran,

Weitere Kostenlose Bücher