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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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höre noch ihre Stimme, wie sie sagte: »Weißt du, es ist mit ihm nicht wie mit dir. Aber er will eine Familie … und ich eben auch. Das weißt du ja.«
    Ich weiß, hatte ich gesagt. Ist in Ordnung. Auch dass sie nicht mehr kommen würde, verstand ich. Jeder versuchte, seine eigenen Bedürfnisse so gut zu befriedigen, wie er konnte; das war es, worum es im Leben ging. Ich hatte ihr alles Gute gewünscht, was man eben so sagt in solchen Situationen, und dann versucht, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Ein beinah schmerzhaftes Ziehen, das von meinen Lenden ausging und bis in die Fingerspitzen spürbar war, verriet, dass auch mein Körper sich gut an Lena erinnerte.
    Ohne lange nachzudenken, nahm ich den Hörer vom Telefon und wählte ihre Nummer. Ihre alte Nummer, und natürlich meldete sich jemand anders. »Lena Olsson?«, fragte eine weibliche Stimme, die ich nie zuvor gehört hatte. »Wer soll das sein?«
    »Schon gut«, knurrte ich. »Vergessen Sie’s. Ich versuche es auch zu vergessen.« Und legte auf.
    Keine Ahnung, was sie damit anfing.
    Das hieß wohl, dass es mit dem anderen Mann geklappt hatte. Dass Lena geheiratet und inzwischen sicher schon ein Kind hatte. Oder mehrere. Und wie es aussah, war ihr es durchaus gelungen, mich zu vergessen.
    Später am Abend – ich war auf dem Bett liegen geblieben und in eine Art halben Dämmerschlaf verfallen – klingelte das Mobiltelefon in meiner Jacke. Hans-Olof entschuldigte sich vielmals für die Störung, aber Kristina hätte gerade angerufen, ganz kurz nur, und sie hätte schrecklich geklungen, so schrecklich hilfsbedürftig … dass er mich einfach hatte anrufen müssen, um zu fragen, was ich vorhatte und wann ich etwas unternehmen würde.
    Er sagte nicht »wann endlich«, aber der Klang seiner Stimme sagte es.
    »Morgen Abend«, versprach ich, ohne die leiseste Ahnung, wie ich das anstellen sollte. »Morgen Abend statte ich unseren Freunden einen Besuch ab.«
    Ich hörte Hans-Olof einen Seufzer abgrundtiefer Erleichterung ausstoßen, so, als sei das Schicksal von Kristinas Entführern damit praktisch besiegelt. »Gut«, meinte er. »Und wann genau?«
    »Ist das wichtig?«
    »Ich muss doch wissen, wann ich dir die Daumen drücken muss«, sagte er allen Ernstes. Ein hoch angesehener Wissenschaftler, ein Hüter des Nobelpreises, man stelle sich vor.
    »Also, von mir aus. Zwei Stunden nach Mitternacht. Um zwei Uhr gehe ich rein.« Im Grunde war es mir gleichgültig, wann er mir die Daumen drückte. Aber zwei Uhr ist meine übliche Zeit. Ich weiß, dass die meisten meiner Kollegen eher auf Termine zwischen drei und vier Uhr schwören, weil da »die Nacht am tiefsten« ist, aber ich habe gern eine Stunde mehr zur Verfügung. Meiner Erfahrung nach bemühen sich selbst die schlimmsten Workaholics, aus dem Büro zu kommen, sobald Mitternacht vorbei ist, und wozu dann noch lange warten?

KAPITEL 21
    Beim Frühstück am nächsten Morgen gab mir das Hotel den Rest.
    Das Frühstücksrestaurant war ein Saal von geradezu erdrückendem Luxus. Die Decke war mit rotbraun schimmernden, geschwungenen Kirschholz-Elementen abgehängt, darunter war aufgeboten, was gut und teuer war. Große, polierte Tische standen dicht an dicht, daran hochlehnige Stühle, mit empfindlichen Stoffen bespannt. Indirektes Licht mischte sich mit Licht aus schimmernden Keramikleuchten, die an so hauchdünnen Fäden aufgehängt waren, dass sie frei in der Luft zu schweben schienen. Und bewacht wurde das alles von einer Herde dienstbarer Geister in der Uniform des Nordlanden Hotels.
    Eine aus dieser Herde, eine dickliche junge Frau mit wilden Locken, kam mir eilends entgegen, kaum dass ich durch die Tür getreten war und noch bevor ich mich orientiert hatte.
    »Ihre Zimmernummer, bitte?«, fragte sie, und ihr Blick verriet, dass sie mich hier nicht haben wollte.
    Aber ich war gewappnet. Ich hatte schon so etwas geahnt und deshalb eigens den Umschlag mitgenommen, in dem man mir meine Schlüsselkarte ausgehändigt hatte. Diesen unwiderlegbaren Beweis, dass ich wahrhaftig Gast dieses Hotels war, hielt ich ihr unter die Nase, worauf sie den Weg freigeben musste. »Guten Appetit«, murmelte sie mir hinterher.
    Das Frühstücksbuffet erstreckte sich über die Grundfläche einer kleineren Wohnung und bot alles auf, was irgendwann irgendjemand zum Frühstück wünschen mochte. In Körben häuften sich Brötchen in allen Sorten, ergänzt durch diverse Toastbrote, Schwarzbrote und Vollkornbrote. Ein Tisch bog sich

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