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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hören.
    Ich aß den Teller leer, stand auf, ließ alles stehen und ging. In meinem Zimmer packte ich meine Sachen ein, außerdem ein paar von den Handtüchern und sämtliche Seifen und Shampoos. Gleich darauf trat ich mit meiner alten Umhängetasche über der Schulter aus dem Aufzug, knallte denen an der Rezeption wortlos die Schlüsselkarte hin und war draußen, ehe sie mehr machen konnten als blöde Gesichter. Dass sie mich los waren, würden sie schon von selber merken.
     
    Immerhin, mein Instinkt schien noch zu funktionieren. Denn nichts anderes war es gewesen, was mich im Haus der Kanzlei Mårtensson den Zettel mit dem Zimmerangebot vom schwarzen Brett hatte abreißen lassen.
    Ich kramte ihn aus der Tasche, während ich an der Ampel stand und auf das Bip-bip-bip des Fußgängergrüns wartete. Södermalm. Das war vertretbar zentral gelegen, egal wo auf der Insel es sein mochte.
    Wieder die vergebliche Suche nach freien Telefonzellen. Ich fand zwei, die von Dauertelefonierern belegt waren. Einer glotzte mich nur blöde an, der andere streckte mir die Zunge heraus und drehte mir den Rücken zu. Da fiel mir ein, dass ich das ja überhaupt nicht nötig hatte: Ein Griff in die Tasche, und ich war meine eigene Telefonzelle.
    Gar nicht so unpraktisch, dachte ich und tippte den PIN-Code ein, der das Ding zum Laufen brachte.
    Das Display wurde hell, doch statt des Firmenlogos, das ich erwartet hatte, begrüßte mich ein Text, der von niemand anders als Hans-Olof stammen konnte: Bitte vergiss nicht, mich auf dem Laufenden zu halten. H. O.
    Der Mann nervte eindeutig. Als ob es in der ganzen Angelegenheit vor allem um ihn ginge! Ich drückte wahllos Tasten, bis die Nachricht endlich verschwunden war und ich die Nummer von meinem Zettel eintippen konnte.
    Die Stimme einer Frau meldete sich, die entsetzlich alt, müde und absolut desinteressiert klang. Ja, es sei noch ein Zimmer frei. Ja, ich könne es haben, vorausgesetzt, ich zahlte pro Woche im Voraus. Und ja, natürlich könne ich kommen und es mir ansehen, wenn ich wolle; sie sei den ganzen Tag da.
    Ich erklärte, ich hätte noch etwas auf der Bank zu erledigen und würde danach vorbeikommen.
    »Wie Sie wollen. Ich bin da«, erwiderte sie teilnahmslos und legte wieder auf.
    Diesmal war weit und breit kein Wachmann zu sehen, als ich die Bank betrat. Schade, ich wäre gerade in der Stimmung gewesen, einen richtig heftigen Streit vom Zaun zu brechen.
    Die große Schalterhalle hatte sich verändert, seit ich das letzte Mal da gewesen war. Noch mehr Marmor, noch mehr Chrom, aber, erstaunlich, viel weniger Panzerglas als früher. Ein erfreulicher Trend für meine Branche. Ich trat an einen der etwas abseits stehenden Tische, die dafür gedacht waren, Bankformulare ausfüllen zu können, ohne dass einem alle Welt dabei zusah, zog den Briefumschlag aus der Tasche, den ich bei Mårtensson geholt hatte, und erbrach das Siegel.
    Was ich herauszog, waren zwei flache Stücke Holz, aufeinander gelegt und mit Paketschnur zusammengeschnürt. Das war Tarnung; ich hatte nicht gewollt, dass jemand in der Kanzlei den Umschlag betastete und gleich wusste, was darin war: der Schlüssel zu einem Bankschließfach nämlich. Den zog ich zwischen den Holzstücken hervor, nachdem ich die Schnur entfernt hatte, stopfte alles andere zurück in meine Tasche und machte mich auf die Suche nach dem richtigen Schalter.
    Der Bankbeamte war klein, rundlich und jünger als ich. Der Blick aber, den er mir zuwarf, als ich den Schlüssel vorwies und den Wunsch äußerte, an mein Schließfach zu gelangen, war der eines verdrießlichen Sechzigjährigen, der sich denkt: Muss das sein, so kurz vor meiner Pensionierung?
    »Kann ich bitte mal die Nummer sehen?«, knurrte er.
    »Klar doch«, erwiderte ich großzügig und drehte den Schlüssel um, sodass er die eingravierte Zahlenfolge in seinen Computer tippen konnte.
    »Ah«, machte er dann, den Mund halb offen stehend, während er las, was der Bildschirm ihm zeigte. »Das Bankschließfach läuft auf den Namen Lena Olsson, ist das richtig?«
    »Ja.« An meiner Stelle den Mietvertrag zu unterschreiben war der letzte Gefallen, den Lena mir getan hatte, damals, als ich gemerkt hatte, wie sich das Netz der Ermittlungen um mich herum zuzuziehen begann. »Aber ich bin als Berechtigter eingetragen.« Ich schob ihm meinen Ausweis hin.
    Er würdigte ihn keinen Blickes. »Die Schließfachmiete wurde für zwölf Jahre im Voraus bezahlt«, stellte er fest. Seine Augenbrauen

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