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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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shower gel getränkt war. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine Geldwäsche in der ursprünglichsten Bedeutung des Wortes durchzuführen. Danach lieh ich mir von Frau Granberg Bügeleisen und Bügelbrett, um den Betrag, den ich in den nächsten Tagen brauchen würde, einsatzbereit zu machen; den Rest verteilte ich zum Trocknen über die zahllosen Regalbretter und Schubladenböden, die ich einstweilen nicht benötigte, und deckte sie mit Zeitungspapier ab.
    Die gebügelten Scheine sahen übrigens tatsächlich sehr sauber aus und fühlten sich an wie frisch aus dem Automaten.
    Danach ging ich noch einmal hinaus und bat Frau Granberg um die Gelben Seiten von Stockholm. »Im Flur, rote Kommode, oberste Schublade«, erklärte sie, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden, und machte dabei eine fahrige Handbewegung, die ungefähr die Richtung wies, aber so wirkte, als verscheuche sie etwas Lästiges.
    Mit dem Verzeichnis und mit meinem neuen Stadtplan setzte ich mich auf das Bett und plante die nächste Etappe. Eile tat Not. Es war bald ein Uhr, was hieß, dass mir nur noch knapp sechs Stunden blieben, um den riskantesten Coup meines Lebens vorzubereiten.
    Södermalm erwies sich als ergiebiges Umfeld. In einem Geschäft für Berufskleidung fand ich einen gefütterten roten Overall und eine Schirmmütze mit dem Aufdruck LEVERANS, Lieferung. In einem Sportgeschäft kaufte ich einen nachtschwarzen Trainingsanzug und eine quietschbunte Windjacke aus hauchdünnem, atmungsaktivem Synthetikmaterial, außerdem eine warme Hose sowie eine unauffällige schwarze Winterjacke und noch ein paar Kleinigkeiten. In einem kleinen Laden, der Scherzartikel, Theaterbedarf und Filmplakate führte, erstand ich ein preiswertes Schminkset und einen falschen Bart. Um den Inhaber, einen alten Mann mit echten Warzen im Gesicht, auf falsche Gedanken zu bringen, erwarb ich außerdem ein Sortiment Partydekoration, bei dessen Auswahl ich mich besonders wählerisch zeigte, das ich nach Verlassen des Ladens jedoch ungeöffnet in den nächsten Mülleimer warf. Schließlich kaufte ich noch einen kleinen Beutel Kartoffeln und kehrte in mein neues Zimmer zurück.
    Die Kunst der Verkleidung besteht nicht darin, sich das Haar mit auswaschbarer Tönung überzeugend zu färben oder falsche Bärte so anzukleben, dass sie nicht abfallen, wenn man schwitzt. All das sind Nebensächlichkeiten, sozusagen der Zuckerguss auf dem Kuchen. Die Kunst der Verkleidung besteht in der Veränderung der zwei entscheidenden Merkmale: Körpersilhouette und Bewegung.
    Wir sind imstande, uns bekannte Personen aus einer Entfernung zu identifizieren, aus der wir nicht einmal die Haarfarbe eines uns Fremden mit Gewissheit bestimmen könnten. Wir sehen aus dem Augenwinkel eine Armbewegung, einen schattenhaften Körperumriss oder eine Kopfform und wissen, dass wir diesen Menschen kennen. Umgekehrt kann es uns passieren, dass wir an jemandem, mit dem wir seit Jahren im selben Büro arbeiten, vorbeigehen, ohne ihn zu bemerken, nur weil er auf einmal einen Gips hat, ein neuer Mantel seine Körperkonturen verändert oder weil ihn seine Frau verlassen hat und er sich völlig deprimiert die Straße entlangschleppt. Körpersilhouette und Bewegung, diese beiden Faktoren sind entscheidend.
    Ich begann trotzdem mit den Äußerlichkeiten. Andere Kleidung. Natürlich zog ich den Overall an, den ich vorher kräftig knetete und auf dem Boden wälzte und hier und da mit Flecken versah, bis er einigermaßen benutzt wirkte. Dann wusch ich mir eine leichte Tönung in die Haare und gab ihnen zudem mit Gel eine andere Form. Ein Wattebausch und etwas braune Schminke verschafften mir einen dunklen Teint, der mich zusammen mit dem Schnauzbart südländisch wirken lassen würde. » Ein Jugoslawe oder so « würden die Leute mich später beschreiben, falls ich ihnen auffiel. Was ich nicht vorhatte.
    Nichts übertreiben, darauf kam es an. Völlig durchschnittlich auszusehen und niemandem aufzufallen war das anzustrebende Ideal.
    Zum krönenden Abschluss griff ich zu meinem Lieblingskniff, was Tarnung anbelangt: Veränderung der Gesichtskonturen. Das zielte vor allem auf die Videokameras des High Tech Building. Wie alle Videokameras, die ich je gesehen habe, waren auch diese viel zu weit oben installiert, sodass sie von jemandem mit Schirmmütze bestenfalls die Kinnpartie erwischen würden. Die wiederum musste nicht so bleiben, wie sie war: Ich schnitzte aus einer rohen Kartoffel zwei passend geformte Einlagen, die

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