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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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etwas sah. Der Funktionstüchtigkeit tat das zum Glück keinen Abbruch. Ich fuhr mit den Fingern darüber, und sie erinnerten sich gut, meine Finger. Da, die verschiedenen Hakenpicks, die Snakepicks, der Halbdiamant, der Tropfendiamant und schließlich der »Mountain-Six«-Pick. Dazu sechs Spanner, ein Extraktor und vier extrastarke Picks, mit denen man auch einem Bohrmuldenschloss beikam. Wunderbar. Was hätte sich der Staatsanwalt gefreut, wenn er dieses Set vor Gericht hätte vorweisen können. Ich zog den Reißverschluss der Innentasche auf, die verschiedenen Kleinkram für besondere Situationen enthielt. Alles noch da.
    In einer kleinen Stofftasche hatte meine alte Minolta all die Jahre auf mich gewartet. Das Kompaktset Schraubenzieher fand sich unter den maßgeschneiderten Handschuhen aus dünnem Leder, die dem ganzen Plastikkrempel haushoch überlegen waren. Alles noch da. Gunnar Forsberg war wieder im Geschäft.
    Ich öffnete meine Umhängetasche, stopfte das Werkzeug und das Notizbuch hinein und so viel von dem Geld, wie hineinpasste. An die fünfzigtausend Kronen, damit sollte sich eine Weile auskommen lassen. Dann schloss ich Tasche und Kasten und rief nach dem Wachmann.

KAPITEL 22
    Auf dem Weg nach Södermalm kaufte ich mir einen aktuellen Stadtplan. Die Pension lag in der Nähe des Zinkensdamm und war, wie sich herausstellte, in Wirklichkeit einfach eine normale Wohnung mit vier Zimmern, von denen Frau Granberg, die betagte Besitzerin, drei Zimmer vermietete. Sie selbst bewohnte das kleinste Zimmer, die Küche diente zugleich als Frühstücks-und Fernsehraum, das Bad und die Toilette wurden gemeinsam benutzt.
    »Dreihundertfünfundsiebzig Kronen die Woche«, leierte sie zum wiederholten Mal herunter, während sie vor mir durch den engen Flur ging, der bis in den letzten Winkel mit nicht zueinander passenden Schränken und Kommoden voll gestopft war und in dem es nach ungewaschener Wäsche, gekochtem Kohl und Mottenkugeln roch. Sie öffnete eine Tür. »Das wäre das Zimmer.«
    Es war kalt, laut, stand voller Möbel, die bereits zur Zeit meiner Geburt altmodisch gewesen waren, aber es war doppelt so groß wie das Hotelzimmer im Nordlanden Hotel. Überall auf dem Boden lagen dicke Staubflusen, und eine der Fensterscheiben war zerbrochen, wie es aussah schon seit Jahren, denn ein Teil des Glases fehlte, und jemand hatte einfach ein Stück Plastiktüte ausgeschnitten und mit Klebstreifen darübergeklebt. Das Plastik raschelte bei jedem Windstoß, und sonderlich dicht konnte es nicht sein, denn sonst hätte es wohl kaum so durchdringend nach Autoabgasen gestunken.
    Immerhin hatte das Zimmer ein eigenes Waschbecken.
    »Ich nehme es«, sagte ich.
    »Sie müssen die Wochenmiete im Voraus bezahlen«, erwiderte Frau Granberg gleichgültig.
    Ich holte etwas Geld aus der Tasche. Das Zimmer im Nordlanden Hotel hatte pro Nacht mehr als dreimal so viel gekostet wie dieses hier pro Woche.
    »Wann wollen Sie morgens frühstücken?«, fragte sie, während sie die Scheine in ihrer Schürze verstaute.
    Die Frage verblüffte mich. Ich murmelte etwas von: »Also, das kommt darauf an …« Je nachdem, ob ich die ganze Nacht unterwegs war, um Kindesentführer aufzustöbern, oder nicht.
    »Na ja«, meinte sie schulterzuckend, »ich bin ab sieben Uhr in der Küche. Wenn Sie früher Frühstück brauchen, müssen Sie es mir eben am Abend vorher sagen.«
    In diesem Moment ging eine der beiden anderen Zimmertüren auf. Ein wuscheliger, hellbrauner Haarschopf kam zum Vorschein, verschwand im nächsten Augenblick blitzartig wieder, und die Tür schnappte wieder zu.
    »Der ist verrückt«, erläuterte Frau Granberg so gleichmütig, als sei vom Wetter die Rede. Sie deutete mit schlaffer Hand auf die andere Tür. »Der andere ist praktisch nie da. Der benutzt das Zimmer bloß für gelegentliche Sexabenteuer.« Auch das klang so, als habe sie noch nie im Leben irgendwelche Emotionen mit Sex verknüpft.
    Sie musterte mich das erste Mal mit etwas Interesse, so, als frage sie sich, wie ich wohl in diese Menagerie hineinpassen würde.
    Ich setzte mein beruhigendstes Lächeln auf. »Ich bin sicher, dass ich mich hier wohlfühlen werde«, erklärte ich.
    Der Einzug war schnell bewerkstelligt. Ich bevölkerte einige Kleiderbügel mit meinen Sachen, hängte die gestohlenen Handtücher neben das Waschbecken und musste dabei feststellen, dass eines der Fläschchen aus dem Nordlanden Hotel undicht geworden und mein ganzes Geld nun in refreshing

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