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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Ich kann ja mal anrufen«, kam ihm die geniale Idee.
    »Wenn’s geht, schnell«, nickte ich patzig. »Pizzen werden nämlich nicht wärmer mit der Zeit.«
    Er hob den Hörer ab, wählte, erklärte jemandem die Sachlage, hörte eine Weile zu, legte dann auf und sagte: »Da hat niemand Pizza bestellt.«
    »Klar hat da jemand Pizza bestellt«, sagte ich und hielt ihm wieder die Rechnung hin. »Hier steht es doch. Ein Johansson.«
    »Sie sagen, nein.«
    Ich setzte ein Gesicht auf, das keinen Zweifel daran lassen konnte, dass ich im Begriff stand, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen. »He, he, he«, grollte ich. »So geht das nicht. Erst Pizza bestellen und mich durch die Stadt hetzen und dann nichts mehr davon wissen wollen? Ich sag Ihnen mal was: Ich hab genau sechsundsiebzig Kronen zu kriegen für eine Pizza Campagniola, und ich geh hier nicht weg, ehe ich die nicht habe.«
    Meine größte Sorge war gewesen, der Portier würde, um den hohen Herrschaften von Rütlipharm allen Ärger vom Hals zu halten, anbieten, mir die Pizza selber abzukaufen. Für den Fall hatte ich mir etwas zurechtgelegt, von dessen Wirksamkeit ich allerdings nicht hundertprozentig überzeugt war. Zum Glück blieb es mir erspart, es auszuprobieren, denn der Portier hob nur indigniert die Augenbrauen und meinte: »Dann schlage ich vor, Sie fahren hinauf und machen das mit den Leuten im neunten Stock selber aus.« Er drückte auf einen Knopf und deutete auf die Aufzüge. »Nehmen Sie die Nummer drei.«
    Eine Minute später stand ich vor dem Empfang der schwedischen Niederlassung des Rütlipharm-Konzerns. Die halbe Etage war ein durch halshohe Trennwände unterteiltes Großraumbüro, von dessen Fenstern aus der Blick über die Stadt ging – man sah den Sergels Torg und eine Ecke des Königlichen Schlosses von Gamla Stan –, die andere Hälfte wies richtige Wände und Flure und verschlossene Türen auf. Dazwischen saß eine Empfangsdame mit aristokratischen Gesichtszügen vor einer Telefonanlage, die aussah, als könne man damit notfalls einen Weltkrieg kommandieren.
    »Ich habe eine Pizzalieferung«, erklärte ich ihr und wies meine brüchige Styroporbox vor. »An einen Herrn Johansson.«
    Sie spitzte unamüsiert die Lippen. »Ich habe bereits am Telefon gesagt, dass hier niemand Pizza bestellt hat.«
    »Wieso, gibt es bei Ihnen niemanden, der Johansson heißt?«, stellte ich mich dumm.
    »Doch, sogar zwei Herren, aber das heißt ja nichts. Johansson ist einer der häufigsten Namen in Schweden.«
    Richtig. Genau deshalb hatte ich ihn auf meine Pizzarechnung gekritzelt.
    »Aber das ist hier doch die Firma Rütlipharm, oder?« Ich setzte mein debilstes Gesicht auf, während ich mich umsah und mir die Anordnung der Flure und Türen einprägte, den Standort des Kopierers und der Toiletten, die Machart der Büroschränke. Es gab etliche abschließbare Aktenschränke aus schwarz lackiertem Stahl. Interessant. Und ein offenes Briefkorbsystem, in das die Post für die Mitarbeiter verteilt wurde. Lecker.
    »Vielleicht können Sie die Herren ja mal fragen, ob einer von ihnen Pizza bestellt hat«, schlug ich vor.
    »Das habe ich natürlich bereits getan«, erklärte sie gelangweilt. Im Hintergrund klingelten Telefone. Neben einem Wasserspender surrten zwei große Laserdrucker nervtötend vor sich hin. »Sie sagen beide, dass sie Pizza nicht einmal mögen. «
    In einem der Flure wurde eine Tür aufgerissen, jemand rief etwas, das klang wie »… mit den Zahlen des letzten Quartals vergleichen …«, dann knallte die Tür wieder zu und verschluckte den Rest. Ah, interessant: Am Ende des Flurs führte eine sicherheitsverglaste Tür zur Feuertreppe.
    »Wie kann man Pizza nicht mögen?«, wunderte ich mich und ließ meinen Blick streifen. Keine sichtbaren Überwachungskameras. Die Klimaanlage stammte, dem Design der Blenden nach zu urteilen, aus den späten Siebzigern. Keine Stolperfallen auf dem Boden; alle Kabel waren sauber unter Bodenleisten verlegt. »Ich verstehe das nicht«, setzte ich hinzu.
    »Egal ob Sie das verstehen oder nicht, ich kann Ihnen nur sagen, dass hier ein Irrtum vorliegen muss. Um ganz offen zu sein«, fuhr die Sekretärin hochnäsig fort, »es ist in unserem Hause nicht üblich, Pizza von irgendwelchen Bringdiensten zu bestellen. Schon gar nicht am Nachmittag.«
    Stimmt, die Zeiger, die auf der großen Uhr hinter ihr das dezente Rütlipharm-Firmenlogo umkreisten, hielten straff auf drei Uhr zu. Die Styroporschachtel in meinen Händen war

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