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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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Olympia«, erklärt sie, »in der Nähe der Messehallen.«
    »Dann nehmen Sie am besten die U-Bahn«, schlage ich vor. »Gehen Sie zur Archway Station …« Ich bemerke, dass sie mich verständnislos ansieht.
    »Okay«, versuche ich es noch mal. »Sie gehen jetzt zurück ins Krankenhaus und verlassen dieses durch den Haupteingang. Dann wenden Sie sich nach rechts und gehen ein paar Meter den Hügel runter. Sie müssen die Northern Line Richtung Tottenham Court Road nehmen, an der Station Central umsteigen und von da nach Notting Hill Gate …«
    Fast verzweifelt schaut die Frau mich an.
    »Vielleicht sollten Sie sich doch lieber ein Taxi nehmen«, schlage ich vor.
    »Ja, das wäre wirklich das Beste«, sagt sie. »Das wird dochhoffentlich nicht so viel kosten, was meinen Sie? Ich meine, so weit ist es doch auch nicht, oder?«
    »Na ja, ein bisschen was wird’s Sie schon kosten; Sie müssen immerhin nach Westlondon.«
    Janet : Nord, Süd, Ost, West, das sind alles böhmische Dörfer für mich.
    »Wir sind hier nämlich in Nordlondon«, erklärt der junge Mann gerade.
    »Verstehe«, sage ich überflüssigerweise.
    »Mit einem Minicab wird’s nicht ganz so teuer wie mit den schwarzen Taxis«, meint er. »Sie können sich in der Notaufnahme eins bestellen. Die haben da so was wie ’ne Hotline. Sie wissen schon, so wie Tony Blair zu George Bush, nur dass diese hier zu einem fetten Mitarbeiter in der Minicab-Zentrale führt.«
    Was dieser Junge doch für ein bezauberndes Lächeln hat.
    »Danke schön, so werd ich’s machen«, sage ich. »Sie waren wirklich überaus hilfsbereit … Ähm, wie finde ich die Notaufnahme? Dieses Krankenhaus ist so groß …«
    »Folgen Sie mir einfach hinein«, sagt er. »Ich muss sowieso in diese Richtung.«
    Lustig, aber die einzigen freundlichen Leute in London scheinen Ausländer zu sein. Gestern die nette schwarze Krankenschwester und jetzt dieser liebenswürdige indische Junge. Er trägt einen Stapel mit Tupperdosen in den Händen. Was immer da drin ist, es wird um Klassen besser sein als der Fraß, den sie Phil hier vorsetzen.
    »Haben Sie vielen herzlichen Dank«, sage ich.
    »Keine Ursache«, sagt der junge Mann.
    Wir wollen gerade wieder hineingehen, als eine Gruppe Ärzte in weißen Kitteln durch die Tür ins Freie strebt und mich dabei fast umrennt. Dem Tross folgt eilends eine Krankenschwester, bevor die Sirene eines eintreffenden Rettungswagens mich zusammenzucken lässt. Der Krankenwagen saust um die hoheMauer, die das Hospital umgibt, und kommt vor dem Gebäude zum Stehen.
    »Was ist denn da los?«, frage ich den jungen Mann an meiner Seite.
    Der zuckt nur die Achseln. »Ein Unfall, nehme ich an«, sagt er. »Wenn einem schon so was passiert, dann am besten direkt vor einem Krankenhaus, was?«
    Janet : Phil schläft tief und fest. Und das schon, seit ich zurück aus seinem Hotel bin. Die Fahrt dahin hat ewig gedauert. Und die zurück ins Krankenhaus hat sich sogar noch länger hingezogen. Draußen wird es allmählich dunkel. Ich will ihn nicht aufwecken, immerhin ist er … krank, nicht wahr?
    Ich hab mir eine Zeitung mitgebracht, um die Wartezeit zu überbrücken. Hab sie unten am Kiosk gekauft, der sich im Eingangsbereich befindet. Es ist der Evening Star . Ich kenne das Blatt nicht. Das wird hier wohl oft und gern gelesen, nehme ich an. Na ja, andere Länder, andere Sitten, wie man so sagt. Aber irgendwie hab ich keine Lust, das Ding zu lesen. Auf der ersten Seite ist ein Foto zu sehen. Es zeigt einen jungen Schwarzen, dessen Haar in langen verfilzten Würsten vom Kopf hängt. Das Bild macht mir Angst. Es scheint eins dieser Verbrecherfotos zu sein, denn der Mann schaut völlig unbeteiligt in die Kamera. Am meisten jedoch erschreckt mich die Schlagzeile. Die besteht aus nur einem Wort: MENSCHENJAGD. Meine Güte, was immer dieser Mensch auch angestellt hat, es kann nichts Gutes gewesen sein, oder? Aber ich will den Artikel nicht lesen, um es herauszufinden. Bin sicher, danach geht’s mir noch schlechter, als ich mich ohnehin schon fühle. Wieder sehe ich mir das Foto an und komme zu dem Schluss, dass ich niemals in London leben könnte. Ich hasse London. Die Stadt ist voll Schlechtigkeit, Kälte und unfreundlicher Leute – nichts auch nur ansatzweise Warmherziges ist hier zu finden. Nein, ich könnte nie und nimmer zu einer Londonerin werden …
    Und doch bin ich Londonerin – gewissermaßen. Oft denke ich nicht darüber nach, und ich weiß auch nicht, warum es

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