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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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gesagt, allmählich reicht’s mir. Ich habe ihren Egoismus gründlich satt, denn genau darum geht’s doch die ganze Zeit: Die ganze Baby-Sache war und ist einzig und allein ihre Sache. Und wann immer es hart auf hart kommt, flüchtet sie sich in ihre egozentrischen Wutanfälle, und ich stehe da wie ein Dienstbote, der darauf wartet, gefeuert zu werden.
    Zum Teufel mit ihr, ich kündige.
    Ich gehe immer weiter, hab keine Ahnung, wohin. Laufe einfach, ohne nach links oder rechts zu sehen. Den Flur entlang, links um die Ecke, eine Treppe hinab, durch einen weiteren Korridor, an der Küche vorbei, durch eine Tür hindurch.
    Kalte Luft empfängt mich. Ich befinde mich auf einem kleinen Parkplatz. Der muss wohl irgendwo hinter dem Krankenhaus liegen. Rund um die Tür liegen Zigarettenkippen am Boden. Das wäre ein ausgezeichneter Zeitpunkt, das alte Laster wieder aufzunehmen. Wenn denn ein Raucher hier wäre, den ich um eine Zigarette anschnorren könnte. Guck mal, Ali, ich rauche wieder. Wir haben zusammen damit aufgehört, aber ich werde allein wieder damit anfangen. Es ist frostig hier draußen. Ich schließe meine Jacke. Es ist die braune aus Leder, meine Lieblingsjacke. Ali hat sie mir zum fünfunddreißigsten Geburtstag geschenkt. Ich hab sie dafür geliebt. Dafür, dass sie genau wusste, welche Lederjacke ich für den Rest meines Lebens würde tragen wollen. Doch selbst diese Erinnerung treibt mich nicht wieder zurück zu ihr. Also laufe ich weiter und trotze der Kälte.
    Ich überquere den Parkplatz und gehe zum Tor hinaus. Ich bin auf dem Dartmouth Park Hill. Links unten befindet sich der Tufnell Park, in der anderen Richtung liegt Highgate und dahinter mein Zuhause. Keines der Ziele sagt mir momentan sonderlich zu. Auf der anderen Straßenseite, hinter den Häusern, liegt der Friedhof Highgate Cemetery. Die letzte Ruhestätte von KarlMarx – die wohl berühmteste Leiche hier in der Gegend – sowie von George Eliot, Michael Faraday, Douglas Adams, Christina Rossetti, Jacob Bronowski … Ich könnte die Liste endlos fortsetzen, wenn ich nicht so durcheinander wäre. Könnte diese Leute im Geiste alphabetisch oder nach Sterbedatum sortieren. Ich bin gut in solchen Dingen, bin im Grunde genau der Typ, den man gern in seinem Pub-Quizteam hätte.
    Der Friedhof erscheint mir plötzlich als lohnendes Ziel. Als genau der richtige Ort, an dem man über das Ende seiner Ehe nachgrübeln kann. Ich mache mich daran, den Fahrweg zu überqueren. Es ist seltsam ruhig hier für eine Londoner Hauptverkehrsstraße am Vormittag. Kein einziges Auto weit und breit. Und auch kein anderer Passant. Ich erreiche die andere Straßenseite und versuche, mich daran zu erinnern, wo der Eingang zum Friedhof ist. Doch was zum Teufel mache ich hier eigentlich? Warum laufe ich davon? Und dann muss ich mich förmlich dazu zwingen, mich daran zu erinnern, was Ali in den letzten fünf Jahren alles durchgemacht hat. Angefangen von den ganzen IVF-Behandlungen bis hin zu diesem letzten, fast tödlichen Eingriff. Wenn ein Anfall von Egoismus in einer solchen Situation nicht erlaubt ist, wann dann, frage ich mich.
    Und wenn ich sie jetzt fallen lasse und das Weite suche, wer ist dann der größere Egoist von uns beiden? Davon abgesehen wüsste ich auch gar nicht, was ich ohne sie machen sollte. Ich liebe sie doch!
    Ich drehe mich um und trete zurück auf die Straße. Ich darf nicht weglaufen, nein, das darf ich einfach nicht –
    Keith : Scheiße, was war das für ein Knall? Bin ich etwa irgendwo gegen gefahren? SCHEISSE!
    Aus den Augenwinkeln sehe ich einen … Körper? Er prallt zurück. Schlägt gegen einen Laternenpfahl.
    Ich trete auf die Bremse. Der Wagen bleibt abrupt stehen. Ich umklammere das Lenkrad, bis meine Knöchel weiß hervortreten. Kurzer Blick in den Rückspiegel. Kein Auto weit und breit. Und ja, da liegt so was wie ein Körper auf der Straße …
    Und dann sehe ich ihn genau. Hab’s mir also nicht nur eingebildet. Dort liegt ein Mann – mit brauner Lederjacke und Jeans – auf der Straße. Sein Hinterkopf ruht auf dem Bordstein wie auf einem Kopfkissen. Eines seiner Beine ist seltsam verkrümmt. Wo zum Teufel kam der plötzlich her? Vermutlich ist er hinter dem Mondeo auf die Fahrbahn gelaufen, der auf der durchgezogenen Linie im absoluten Halteverbot steht. Was für ein Idiot parkt denn auch genau dort und versperrt damit allen die Sicht? Der Mann am Boden bewegt sich nicht …
    Er bewegt sich einfach nicht!
    Immer noch

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