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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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mir gerade jetzt wieder eingefallen ist. Wahrscheinlich, weil ich mich gerade in London befinde. Oder, sehr viel wahrscheinlicher, weil ich schlicht und einfach bekümmert bin.
    Warum ich bekümmert bin? Auch darüber mag ich eigentlich nicht nachdenken, genauso wenig wie über das, was in diesem Hotel geschah. Es war so entwürdigend. Und dann diese Blicke, die mir die beiden an der Rezeption zugeworfen haben. Das war kein Mitleid, nein, die haben sich über mich lustig gemacht. Ja, eigentlich will ich nicht mehr daran zurückdenken.
    Im Krankensaal ist es inzwischen sehr still geworden. Auch sind kaum noch Besucher anwesend. Nur ich und die Frau, die ihre Freundin schon heute Morgen besucht hat. Sie sitzt auf dem gleichen Stuhl wie zuvor und beobachtet die schlafende Patientin. Die Ärmste hängt wieder an einem Tropf; offenbar hat sich ihr Zustand im Laufe des Tages verschlimmert. Vielleicht wegen des Streits mit ihrem Mann – ob es wohl ihr Ehemann war? Wie dem auch sei, vielleicht hat sie der ganze Stress in ihrem Genesungsprozess zurückgeworfen, wer weiß. Selbst im trüben Licht des Saals sieht die Frau furchtbar aus. Ich hoffe, es geht ihr nicht allzu schlecht. Ihre Freundin jedenfalls wirkt alles andere als glücklich; sie sitzt einfach nur da und hält ihre einsame Nachtwache. Ihre Augen wirken verquollen; offenbar hat sie geweint.
    Eine Krankenschwester kommt vorbei, und ich spreche sie an. »Entschuldigen Sie, bitte, aber darf ich Sie was fragen?«
    »Ja?«, sagt sie und kommt auf mich zu.
    »Ich möchte nicht neugierig erscheinen, aber die Frau da drüben im Bett … Heute Morgen sah es doch noch so aus, als befände sie sich auf dem Weg der Besserung, und jetzt das … Es geht ihr doch gut, oder?«
    Die Krankenschwester beugt sich zu mir herab. »Eigentlich darf ich darüber keine Auskunft geben«, flüstert sie, »aber die Sache hat hier im Krankenhaus sowieso schon die Runde gemacht, daher … Ihr Ehemann ist heute Morgen angefahren worden. Ein Fall von Fahrerflucht. Es geschah gleich draußen vor dem Krankenhaus. Er hatte sie noch kurz zuvor hier besucht.«
    »Oh, mein Gott«, entfährt es mir. Jetzt erinnere ich mich wieder an die hinauseilenden Ärzte und den Notfallwagen mit Blaulicht und Sirene. »Ich hoffe, es ist ihm nichts Ernstes zugestoßen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Leider doch. Er hatte schwerste Kopfverletzungen und starb noch auf dem Weg hierher. Seine Frau hat es natürlich alles andere als gut aufgenommen, die Ärmste. Der Arzt musste sie ruhigstellen.«
    »Aber sie wird doch wieder gesund, oder?«, frage ich.
    »Ja, natürlich, sie wird wieder genesen … zumindest körperlich. Ich war noch nicht hier, als es geschah, aber es heißt, sie hatte sich mit ihrem Mann gestritten, bevor er das Krankenhaus verließ.«
    Ich weiß, denke ich. Hab’s ja selbst mitbekommen. Keine schöne Sache war das.
    Die Krankenschwester geht wieder ihrer Wege und lässt mich allein. Der Gedanke an die arme Frau im Nachbarbett belastet mich sehr. Plötzlich tue ich mir nicht mehr halb so leid wie zuvor. Es gibt immer etwas, was noch schlimmer ist als das eigene Schicksal. Ich sehe zu der schlafenden Patientin hinüber und dann auf meinen schlafenden Ehemann. Wenigstens habe ich noch einen Ehemann. Dafür sollte ich eigentlich dankbar sein, aber ich bin es nicht – kein bisschen.
    Ich fühle mich schlecht, doch am allermeisten fühle ich mich einfach nur dumm. Ich hätte es kommen sehen müssen, oder? Zugegeben, ich hatte schon ein komisches Gefühl auf dem Weg ins Hotel. Es war so eine lange Fahrt dahin, und nachdem wir fast eine halbe Stunde unterwegs waren, kamen wir an einem bunt zusammengewürfelten Gebäudekomplex vorbei, der für sich betrachtet schon so groß war wie die Innenstadt von Wetherby.Ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, wie groß hier alles ist.
    »Was ist das?«, hab ich den Taxifahrer gefragt.
    »Das St. Mary’s Hospital«, hat er geantwortet.
    Ja, ich hatte so ein komisches Gefühl auf dem Weg ins Ambassador, aber ich hab’s irgendwie verdrängt.
    Im Hotel zeigte man mir dann Phils Zimmer, wo ich in Windeseile seine Sachen zusammenpackte. Er sollte ja nur für drei Tage hier sein, weshalb er nicht viel Gepäck dabei hatte. Tja, und als ich dann wieder runter in die Lobby ging, da konnte ich wieder mal mein Plappermaul nicht halten, und das hab ich jetzt davon. »Vielen Dank«, hab ich zu der Frau am Empfang gesagt. »Für alles, was Sie für meinen Mann getan

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