Der normale Wahnsinn - Roman
außerdem jagt der Betreiber während der Show Lachgas durch die Klimaanlage. Ein Luftzug, und die Menge wird sich wegen jedem Scheiß bepissen. Ich schwör dir, du könntest denen Bilder vom Holocaust zeigen und die würden sich vor Lachen an ihrem Lager verschlucken.«
»Ja, sei nicht so nervös«, sagt Sari, als Colin Toms wieder weg ist.
Was weiß sie schon? Soll sie sich doch mal auf die Bühne stellen und versuchen, die Leute zum Lachen zu bringen. Dasmöchte ich sehen! Mein Blick wandert durch die Kneipe. Viel ist hier heute Abend nicht los, und dabei geht’s in wenigen Minuten schon los. An einem der Tische sitzen zwei Mädchen – Freundinnen offenbar. Die Blonde hat ihre Augen schwarz geschminkt, aber es passt zu ihr. Macht ihre Augen irgendwie riesengroß. Normalerweise stehe ich nicht auf englische Mädchen, aber die hier ist wirklich ziemlich hübsch. Unsere Blicke treffen sich, und dann lächelt sie … Oder auch nicht. Auf diese Entfernung schwer zu sagen.
Christie : Tanya zieht sich den Rock über die Knie und sagt: »Sieh jetzt nicht hin, aber der Typ da hinten glotzt mich an.«
»Wer?«, frage ich, und mein Blick fliegt suchend durchs Lokal.
»Ich hab doch gesagt, nicht hinsehen! Der Paki, der da hinten in der Ecke sitzt. Jesus, er hat gerade mit Colin Toms gesprochen. Bitte lass diesen Kelch an uns vorübergehen, lieber Gott, bitte lass ihn heute Abend nicht auftreten.«
»Sei doch nicht so gemein. Vielleicht ist er richtig witzig, wer weiß«, sage ich.
»Ein witziger Paki?« Sie sieht mich komisch an, doch ich halte ihrem abschätzigen Blick stand. »Pakis haben nicht den geringsten Sinn für Humor, Christie. Das ist ’ne biologische Tatsache. Ernsthaft, man hat da einige erstaunliche Dinge herausgefunden, nachdem das menschliche Genom entschlüsselt war. Du solltest dich mal darüber schlaumachen.«
Jetzt muss ich wirklich lachen. So ist das mit Tanya. Entweder nervt sie mich ohne Ende, oder sie bringt mich zum Lachen. Doch heute bin ich gerade in der rechten Stimmung für sie. Es ist mein erster freier Abend, seit Cameron krank geworden ist … Jesus, das scheint schon ’ne halbe Ewigkeit her zu sein.
»Du denkst wohl, ich verarsche dich?«, plappert Tanya weiter. »Was glaubst du, warum die Pakis jedes Mal ausflippen, wenn jemand auch nur ’nen harmlosen kleinen Witz über Allahmacht? Weil sie den Witz nicht begreifen! Nicht den beschissenen Hauch von Humor haben die.«
Ja, bin definitiv in der richtigen Stimmung für sie. Konnte es kaum erwarten, das Haus zu verlassen. Es ist mittlerweile die reinste Hölle dort. Kate und Marco wechseln kaum noch ein Wort miteinander. Okay, Marco redet ja selbst in seinen besten Zeiten kaum ein Wort, aber normalerweise hat Kate das immer locker kompensiert. Doch so ist es längst nicht mehr. Kate wirkte sehr besorgt, als ich ging. Keine Ahnung, wovor sie mehr Angst hatte: allein mit ihrem komischen Göttergatten zu bleiben oder davor, allein mit Cameron zurechtkommen zu müssen. Das ist etwas, was ich erst herausgefunden habe, nachdem Kate ihren Job verloren hatte: Die Tatsache, dass sie nun alle Zeit der Welt hat, macht sie fertig. Denn jetzt ist sie gezwungen, sich mit ihrem Sohn zu beschäftigen und ihn endlich mal kennenzulernen. Sie hat nicht die geringste Ahnung, was sie mit ihm anstellen soll. Ich weiß nicht, wer mir mehr leidtut: sie oder er.
»Schätze, du bist gleich dran«, sagt Tanya zu mir. »Hab dich eben angemeldet.«
Der Moderator klettert auf die niedrige Bühne, die sich in einer Ecke des Gastraums befindet.
»Das ist ein Witz, oder?«, frage ich.
Sie sieht mich an, als wäre ich ein Idiot, und mich überfällt die nackte Panik. »Bitte, sag mir, dass das ein schlechter Scherz ist, Tanya.«
Jetzt bricht sie in schallendes Gelächter aus. »Witziger als dieser Mohammed da hinten bist du allemal«, meint sie. »Aber, pssst, den anderen Typen dort mag ich sehr.«
Im Gegensatz zu mir kommt Tanya oft hierher, und so habe ich keine Ahnung, was an dem »anderen Typen« so besonders sein soll. Der Mann auf der Bühne sieht aus, als ob er im Laufe seines Lebens schon einiges hat einstecken müssen – er hat das typisch zerbeulte Gesicht eines abgehalfterten Boxers oder Australian-Rules-Football-Spielers. »Stellen Sie sich vor, meineDamen und Herren, heute Abend haben wir Comedian-Prominenz zu Gast«, verkündet er. »Unauffällig steht er an der Bar und versucht, in Ruhe ein Bier zu trinken … Dominic Gethen … bekannt
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