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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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Gesicht.
    »Diese kleine Inderin hat dir ganz schön eins verpasst, was?«
    »Hör mir auf mit dieser magersüchtigen Schlampe. Ich sag dir, wenn ich noch ein paar Biere mehr intus gehabt hätte, hätte ich sie in der Luft zerrissen.«
    »Du hast große Selbstbeherrschung gezeigt.«
    Tatsächlich hat es mich große Mühen gekostet, Tanya davon abzuhalten, sich auf das Mädchen zu stürzen, bis dann der Bruder der Kleinen mit seiner Schwester im Schlepptau den Laden verließ. Er hat mir leidgetan. Eben noch dachte er, er wäre der neue Ben Elton, um kurz darauf in einen Zickenkrieg zu geraten und den Ort des Geschehens in Schande wieder zu verlassen. Und nein, nur falls es Sie interessiert, er hat die Fünfzig-Pfund-Prämie nicht gewonnen.
    »Was hast du denn Harleys Mum erzählt?«, frage ich.
    »Hab ihr gesagt, ich sei gegen ’nen Laternenpfahl gelaufen. Und außerdem geht sie das überhaupt nichts an.«
    Ich biege auf die Hauptstraße ein und bin froh, dieser Gegend endlich den Rücken kehren zu können.
    »Dieser Ort ist berühmt, weißt du?«, sagt Tanya. »Da hinten ist die Broadwater Farm.«
    »Was? Hier gibt’s ’ne Farm?«
    »Nein, du Dummbatz. Das ist nur der Name einer Siedlung. In den Siebzigern oder Achtzigern gab’s hier ’nen richtigen Volksaufstand. Die Leute wollten den ganzen Ort in Schutt und Asche legen. Es gab auch Bomben, tote Cops und solche Sachen.«
    »Und hierher hast du den kleinen Harley gebracht?«, frage ich. »Schleifst du ihn gerade durch ein ›Geschichte hautnah‹-Lernprogramm, oder was?«
    »Haha, sehr lustig. Nein, seit den Unruhen haben sie ’ne Menge in der Gegend gemacht. Es gibt sogar ’nen superschönen Park hier. Lordship Recreation Ground heißt der oder so.«
    »Wir haben drei bildschöne Parks in Muswell Hill, Tanya.«  
    Ich trete aufs Gas. Normalerweise fahre ich nicht gerne schnell, aber der Gestank, der von Harley ausgeht, wird allmählich unerträglich.
    »Ja, klar, aber ich hatte noch was einzukaufen, verstehst du?«, sagt sie grinsend. »Sachen, die man nun mal nicht in der Lebensmittelabteilung von Marks & Spencer kriegt.«
    »Du bist echt unglaublich, weißt du das? Kannst du so was nicht in deiner Freizeit erledigen?«
    Ich weiß, jetzt höre ich mich an wie ein Moralapostel, aber es ist mir egal. Obwohl mich Harley eigentlich nichts angeht, nervt es mich, dass Tanya den Kleinen in dieses Viertel mitnimmt, um ihre blöden Drogendeals abzuwickeln.
    »Tja, ich hatte da von diesem echt günstigen Stoff gehört. War ’ne einmalige Gelegenheit«, verteidigt sich Tanya. »Wenn ich nicht schnell reagiert hätte, wäre die Quelle heute Abend schon versiegt. Da fällt mir ein, ich kann dir ein paar von den Pillen abgeben. Als Dankeschön für deine Hilfe.«
    »Nein, danke«, sage ich kühl und umklammere das Lenkrad, bis meine Knöchel weiß hervortreten.
    »Mein Gott, nun hab dich nicht so, Christie«, sagt sie. »Ist doch nur ein bisschen E.«
    Ein paar Minuten schweige ich, aber länger halte ich die Funkstille einfach nicht aus.
    »Ich sollte dich anzeigen, weißt du das?«, sage ich. »Sollte dich auf der Stelle bei den Bullen abgeben, weil du Harley da mit reingezogen hast. Wenn der Kleine sich seiner Mutter gegenüber verquatscht und du deswegen deinen Job verlierst, dann beschwer dich bloß nicht bei mir.«
    »Herrgott, du solltest dir mal zuhören«, sagt sie. »Hörst dich genauso an wie meine alten Lehrer. Oder meine Mutter.« Wie ihre Mutter? Wenn man Tanya glauben darf, ist ein Vergleich mit ihrer Mutter die schlimmste Beleidigung aller Zeiten. »Was spielst du dich eigentlich so auf?«
    Sie kapiert es einfach nicht, und ich habe wenig Lust, es ihr zur erklären.
    »Vergiss es, okay?«, murmele ich.
    Sie zuckt die Achseln und zündet sich eine Zigarette an.
    »Bitte, Tanya, Cameron hat gerade erst um Haaresbreite ’ne Lungenentzündung überstanden.«
    Wieder zuckt sie die Achseln und schmeißt die Zigarette aus dem Fenster.
    Offensichtlich ist sie eingeschnappt, und wenn sie das für den Rest der Fahrt ist, soll’s mir nur recht sein.
    In diesem Moment fängt Harley wieder an zu weinen. Je wärmer es im Auto wird, umso lauter wird sein Gebrüll. Als ob er allmählich wieder auftaut und zum Leben erwacht. Im Wagen stinkt es nach Scheiße und regennassen Klamotten. Wenn man von Ersterem absieht, ist es hier fast wie in einem türkischen Dampfbad. Hoffentlich ist dieser Alptraumtrip bald vorbei. Offenbar aus Solidarität fällt jetzt auch Cameron in

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