Der normale Wahnsinn - Roman
fragt er mich gerade.
»Das weiße Kaninchen.«
» Alice im Wunderland! Wie bezaubernd«, sagt Kate.
»Und dann gleich eine der Hauptrollen. Sie muss deswegen ja ganz aus dem Häuschen sein«, fügt Ali hinzu.
»Blödsinn«, meint Dom. »Alles Blödsinn. Alice im blödsinnigen Wunderland , was soll das? Ich bitte euch, es ist doch Weihnachten! Was ist aus den guten alten ›Euch ist heut der Heiland geboren‹-Stücken geworden?«
»Eine Schule sollte sich über alles Religiöse hinwegsetzen.« Huch, das klang jetzt aufgeblasener als beabsichtigt.
»Ja, klar, deswegen findet das Ganze ja auch an Weihnachten statt … Wie hieß noch mal dieses scheiß indische Fest?«
»Diwali?«, meint Paul.
»Genau das meine ich. Darauf holen sie sich auch jedes Jahr einen runter.«
»Diwali wird aber nicht an den Schulen gefeiert. Die Kids lernen nur was darüber«, wende ich ein.
»Okay, und warum lernen sie dann nichts über Weihnachten?Der kleine Jesus wurde aus seiner Geburtsstadt vertrieben, weil …« Er bricht ab. »… Und erzählt mir jetzt bitte nicht, dass Weihnachten abgeschafft wurde, um die Gefühle der Turbanträger nicht zu verletzen. Die gibt’s hier in der Gegend nämlich gar nicht. Nein, die wollen den ach so freidenkenden Guardian -Lesern nicht auf den Schlips treten. Ihr wisst schon, diejenigen, die ihre Vierradantrieb-Panzer regelmäßig zu Weihnachten mit Yule-Logs und gigantischen Christbäumen beladen.«
Ups , das Eis wird dünner. Beide Paare, die wir zu Gast haben, fahren Wagen mit Vierradantrieb. Bitte, Dom, jetzt keine Hasstiraden auf spritfressende Geländewagen.
»Du hast völlig Recht, Dominic.« Endlich hat Kate es geschafft, sich mit einem Wortbeitrag in eine von Doms allzu kurzen Vortragspausen zu drängeln. »Wenn’s um Religion geht, muss man heute allzu oft mit seiner Meinung hinterm Berg halten. Nicht so Marco und ich. Immerhin haben wir Cameron auch schon an der St.-James-Schule eingeschrieben.«
Ach du Scheiße. Hoffentlich hat Kate Doms polemische Äußerungen nicht missverstanden und denkt jetzt, dass er Christ sei und kirchlich geführte Schulen befürworte.
»Wusste gar nicht, dass du so ’ne große Kirchgängerin bist, Kate«, sagt Dom liebenswürdig. Zu liebenswürdig.
Kate : »Ich besuche die Messe nicht regelmäßig«, erläutere ich, »aber ich bin in anglikanischem Sinne erzogen worden, und wir sind beide gläubig … Nicht wahr, Marco?«
Marco nickt. Seine bisher lebhafteste Äußerung an diesem Abend. Er ist sogar noch verstockter als sonst.
»Na ja, man muss schon ein bisschen mehr als gläubig sein, um sein Kind an der St. James unterbringen zu dürfen«, erwidert Dominic. »Da muss man wirklich jeden Sonntag in die Kirche dackeln.«
»Ich finde es jedenfalls nicht verkehrt, wenn Eltern sich zu ihrem Glauben bekennen.«
»Dann würde es dir also nichts ausmachen, ein Monatsgehalt in den Klingelbeutel zu werfen? Und vermutlich hast du wohl auch Marcos Erlaubnis, dem Vikar einen zu blasen?«
»Wie bitte?«
»Nur ein kleiner Hinweis. Hab gehört, er liebt es, auf die Brust eines jungen Knaben zu ejakulieren. Aber was tut man heutzutage nicht alles, um sein Kind auf eine Eliteschule zu schicken, nicht wahr?«
Dieser herablassende Bastard. Ich sehe Marco flehend an. So spring mir doch mal zur Seite, du Feigling. Er ist so nützlich wie ein Kropf. Vor zehn Jahren habe ich das Eheversprechen abgelegt, und er ein verdammtes Schweigegelübde. »Ich weiß nicht, was daran verkehrt sein soll, seinen Kindern die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen«, sage ich. Vermutlich klinge ich ziemlich ungehalten. Und wenn schon! Ich bin ziemlich ungehalten.
»Daran ist nichts verkehrt, so lange sich das auf alle Kinder bezieht. Mach dir doch nichts vor, Kate. Bekenntnisschulen sind die neue Bastion der Privilegierten. Das Äquivalent des 21. Jahrhunderts zum päpstlichen Ablass für die Reichen. Keine Frage, Martin Luther war ein ziemlich humorloser Knabe, aber bei bestimmten Themen sind er und ich noch immer einer Meinung.«
Keine Ahnung, worüber er gerade redet, aber es klingt widerwärtig. Und total schwachsinnig. Ich merke, wie ich vor Wut rot anlaufe und wünsche mir, jemand würde mir hier raushelfen. Irgendjemand . Da wirft Siobhan den Kopf in den Nacken und bricht in schallendes Gelächter aus. Blöde Kuh.
Siobhan : Irres Gelächter ist immer noch die beste Taktik, wenn der eigene Ehemann zu angepisst ist, um noch einen Weg aus dem
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