Der normale Wahnsinn - Roman
Die Ampel steht auf Grün. Sie kann also weiterfahren. Ich höre ’nen Tune von Sean Paul. Das ist mein Handy. Wenigstens haben die Cops es mir wieder zurückgegeben. Diese Schweine haben mir schon mal eins abgenommen. Aber das hier ist echt cool. Ein V3. Ich checke das Display. Es ist Michele. Dachte schon, es ist meine Mutter.
»Hi, wie geht’s, Chele?«
»Wo bist du?«
»Auf dem Broadway. Warum?«
»Was machst du da?«
»Mich killen lassen, Mann. So ’ne Tussi in ’nem ML hätte mich eben fast über den Haufen gefahren.«
»Mann, sei doch ’n bisschen vorsichtiger, Carlton.«
»Hey, ich wollte über die Kreuzung und hatte Grün, verdammt noch mal.«
»Gibt immer ’n paar scheiß Rassisten auf der Straße, die das nicht groß kümmert. Na ja, was haste denn heute noch so vor?«
»Nicht viel. Bin auf ’m Weg nach Hause, denk ich. Warum?«
»Weiß nicht … Dachte nur, vielleicht haste ja Bock herzukommen. Meine Mutter und ihr Typ sind nicht da. Ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen, aber der pennt bald. Wir könnten ’n bisschen fernsehen, ’n Joint rauchen und so.«
»Du willst doch nur meinen Stoff, Baby.«
»Das ist nicht wahr, Mann.«
»Ach, nee?«
»Kennst mich doch. Kiffe so gut wie nie. Kommste nun rüber oder nicht?«
»Ist Kerry bei dir?«
»Nö, warum. Würdeste denn kommen, wenn sie da wäre?«
»Nein, hab nur so gefragt, weil ihr doch immer zusammen seid und so.«
»Ja und?«
»Nichts, Mann. Ihr hängt halt immer zusammen rum und so.«
»Okay, kommste nun vorbei oder nicht?« Jetzt klingt sie fast ’n bisschen angepisst. Was hab ich denn bloß Falsches gesagt?
»Nee, ich geh besser nach Hause, Mann. War den ganzen Tag unterwegs. Will mal checken, ob’s meiner Mutter gut geht, weißt du. Die ist abends nicht gern allein und so.«
»Okay, dann bis irgendwann mal.«
»Jo, bis später.« Aber sie hat schon aufgelegt. Ich kapier die Frau nicht. Erst ist sie freundlich nach dem Motto »Hey, haste Bock herzukommen« und so, und dann zeigt sie dir plötzlich ’nen Stinkefinger. Nope, ich kapier das alles nicht mehr. Ich verstaue mein Handy in der Tasche und gehe zur Bushaltestelle. Nicht zu schnell, damit mir meine Reeboks nicht von den Füßen fallen. Die Cops haben mir zwar mein Handy zurückgegeben, nicht aber meine Schnürsenkel. An der Haltestelle steht ’ne Frau, aber sie geht ein Stück weg, als ich mich zu ihr ins Wartehäuschen stelle. Jetzt steht sie ungeschützt unter ’ner Laterne, obwohl es angefangen hat zu regnen. Auf der anderen Straßenseite kommt vor Woolworth ein Streifenwagen zum Stehen. Bitte, Mann, nicht schon wieder. Ich will doch einfach nur nachHause. Der Bulle am Steuer sieht zu mir rüber und fängt an zu telefonieren. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und starre in ’ne andere Richtung. Vielleicht fährt er ja weiter, wenn ich ihn nicht direkt ansehe.
Keith : »Warum halten wir?«, fragt Durham. »Wegen dem Bruder da drüben an der Bushaltestelle? Kennst du ihn? Guck dir mal seine Joggingschuhe an. Die fallen ihm ja fast von den Füßen. Ist das jetzt modern, oder was?«
Der Bruder … Was glaubt sie eigentlich, wer wir sind? Darsteller in Shaft ? Sie geht mir auf die Eier. Schon seit wir die Dienststelle verlassen haben. Ich arbeite nicht gern mit ihr. Ich arbeite nicht gern mit Frauen, Punkt, aus. Und wenn sie dann noch meinen, sich wie Kerle verhalten zu müssen … Ich meine, sie sind ja nun mal keine Kerle, oder? Sie sind Frauen . Was soll das also? Frauen sind gut bei Todesfällen und wenn’s um vermisste Kinder geht. Aber glauben Sie wirklich, ich überlasse einer Kollegin meine Deckung, wenn ich gerade ’ner Gruppe bewaffneter Kapuzen gegenüberstehe?
»Nein, nicht wegem dem Bruder «, sage ich. »Bin rangefahren, weil mein Handy klingelt.«
Ich hole das Telefon aus meiner Tasche und schaue aufs Display. Es ist Pam. Was sie wohl will? Ich könnte den Anruf ignorieren, aber ich hab seit heute Morgen nicht mehr mit ihr geredet. Seit ich wütend aus dem Haus gestürmt bin, als sie unter der Dusche stand. Wenn ich jetzt nicht rangehe, macht sie mir morgen früh die Hölle heiß. Was hab ich denn gemacht? Was hab ich denn gesagt? Liebst du mich denn nicht mehr? Hab echt keinen Bock, mich mit so was rumzuschlagen, wenn ich gerade von der Nachtschicht gekommen bin. Ich sollte besser rangehen.
»Keith?«, sagt sie.
»In der Tat, ich bin’s. Alles klar bei dir?«
»Ja, mir war nur ’n bisschen langweilig. Nichts im Fernsehen.
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