Der normale Wahnsinn - Roman
kenne ich nicht. Vielleicht Zeugen Jehovas oder so. Die rennen uns hier regelmäßig die Bude ein. Normalerweise schert sich meine Mutter nicht um die; sie ist ja bei den Pfingstpredigern.«
»Hey, den Typen kenne ich doch«, sage ich, als der Mann mit den Locken jetzt in unsere Richtung schaut. Es ist der Cop, dermir gesagt hat, dass sie den Namen des Stalkers kennen. »Das sind Bullen, Carlton.«
»Verdammte Scheiße, Mann. Gottverdammte Scheiße. Ich hab das alles so satt.«
»Willst du die Fliege machen? Wenn ja, solltest du dich besser beeilen.«
Der Cop hat sich umgedreht und kommt nun direkt auf uns zu.
»Nee, das wäre meiner Mutter gegenüber nicht fair«, sagt er. »Da muss ich jetzt durch.« Er drückt die Tür auf und geht in den Gang. »Aber du kannst gehen, wenn du willst«, sagt er zu mir.
Den Teufel werde ich tun.
Marcia : Carlton tritt durch die Tür in den Gang.
»Wir haben schon auf dich gewartet«, sagt der Polizist.
»Das sehe ich, Mann. Warum belästigen Sie meine Mutter? Was immer los ist, sie hat nichts damit zu tun«, sagt Carlton. Jetzt hat er den Polizisten erreicht, doch er bleibt nicht stehen, geht einfach weiter mit dieser enervierenden »Leck-mich-am-Arsch«-Haltung.
Direkt hinter ihm ist ein Mädchen. Ein ziemlich junges Ding. Sie wirkt erschrocken. Hab sie noch nie zuvor gesehen. Carlton bringt nie irgendwelche Freunde mit nach Hause. Nicht, wenn ich hier bin wenigstens.
»Sorry deswegen, Mum«, sagt er, als er mich erreicht hat.
»Schon gut, Liebling«, sage ich. »Kann sich mal wieder nur um ein Missverständnis handeln. Das kriegen wir schon hin, keine Sorge.«
Michele : Die Cops folgen Carlton in die Wohnung. Ich weiß nicht so recht, was ich jetzt machen soll. Komme mir blöd vor, hier rumzustehen. Vielleicht hätte ich einfach gehen sollen, wie Carlton es mir gesagt hat.
»Kommst du nun rein, oder willst du weiterhin da rumstehen wie bestellt und nicht abgeholt?«, fragt mich seine Mutter.
Ich gehe mit ihr hinein und schließe die Wohnungstür hinter mir. Das Apartment ist winzig, sogar noch kleiner als das, in dem ich mit meiner Mutter, deren Freund und meinem jüngeren Bruder wohne – und das ist schon klein. Carlton ist so groß, dass sein Kopf fast an die Decke des Wohnzimmers stößt. Ich halte mich im Hintergrund und stehe jetzt mit dem Rücken zur Wand neben dem Sofa.
»Ich hab Ihnen doch schon letzte Woche erklärt, dass ich keine Handys klaue«, sagt Carlton zu dem Lockenkopf. »Das ist doch alles völliger Schwachsinn.«
»Wir sind nicht wegen irgendwelcher Handys hier, Carlton«, sagt der Polizist. »Diesmal geht’s um ’ne etwas ernstere Angelegenheit.«
Ich höre zu und beobachte dabei die Polizistin. Sie zieht sich aus dem Wohnzimmer ein Stück in den Korridor zurück in die Richtung, in der ich die Schlafzimmer vermute.
»Wo warst du am vergangenen Donnerstagabend?«, fragt der Cop.
»Letzten Donnerstag … Bei Ihnen, Mann.«
»Und nachdem du das Revier gegen sechs Uhr verlassen hast, wo warst du dann? Wir reden von der Zeit zwischen sechs und neun Uhr.«
»Ich bin danach direkt nach Hause gegangen, okay?«
»Deine Mutter hat ausgesagt, dass du erst zwischen acht und neun Uhr hier eingetroffen bist.«
»Könnte mich auch geirrt haben«, wirft Carltons Mutter ein. »Er könnte auch früher heimgekommen sein.«
»Bitte, Mrs Priestley, lassen Sie Ihren Sohn die Frage beantworten.«
Irgendwas stimmt hier nicht. Die Cops fragen nach dem Zeitraum, in dem Kerry getötet worden sein muss. Ich sehe zu Carlton rüber, und mein Herz beginnt zu rasen. Ich fühle, wie mir schlecht wird. Er wird doch nichts damit zu tun haben, oder? Das kann einfach nicht sein.
»Wie ich schon sagte«, entgegnet Carlton. »Ich bin danach direkt nach Hause gegangen.«
»Ich denke, du kommst besser mit aufs Revier«, sagt der Bulle. »Mein Chef möchte nämlich mit dir sprechen.«
Plötzlich wirkt Carlton ziemlich alarmiert, und so oft, wie er schon auf irgendwelchen Polizeirevieren festgesessen hat, hat er auch allen Grund dazu.
In diesem Moment ruft die Polizistin aus dem Flur: »Sparky, schau dir das mal an.«
Und dann geht plötzlich alles rasend schnell. Es ist, als ob ein Blitz in Carlton gefahren wäre. Seine Mutter schreit: »Carlton, nein!«, doch schon hat er den Polizisten beiseitegestoßen und rennt zur Haustür hinaus, noch bevor ich überhaupt begreife, was hier eigentlich abgeht.
»Raymond, bewegen Sie Ihren Arsch hierher!«, brüllt der Cop.
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