Der Novembermörder
jetzt.
Andersson wollte weiterkommen und unterbrach die Stille.
»Und was hat sie über Valles Besuch am Dienstag gesagt?«
Birgitta verzog leicht den Mund, bevor sie antwortete: »Na, da ist es hoch hergegangen! Deshalb wusste Gunnel auch noch genau über die Zeiten Bescheid. Der dienstägliche Herr Nummer eins tauchte nämlich nicht um zwölf auf wie sonst immer. Sie nahm an. dass er krank oder verhindert war. Aber um halb fünf klingelte er an der Tür und forderte seine Wochenration. Und das bedeutet für Gunnel ja auch einiges Geld. Sie sagte, dass es in Ordnung wäre, wenn er sich beeilt. Und es hätte wohl auch geklappt, wenn nicht Valle ausgerechnet an diesem Dienstag schon kurz vor fünf aufgetaucht wäre. Sie konnte ihn ja nicht grölend im Treppenhaus stehen lassen, also bat sie ihn in ihr Wohnzimmer, stattete ihn mit einem gehörigen Drink aus, während sie Herrn Nummer eins abfertigte. Dann musste sie diesen so hinauslotsen, dass die Herren sich nicht zu Gesicht bekamen. Denn laut Gunnel glauben alle vier, dass sie jeweils ›the one and only‹ für sie seien.«
»Kann Valle Reuter sie bezahlt haben, um ein Alibi zu kriegen?«, überlegte Irene.
»Nein, das glaube ich nicht. Ihre Geschichten passen zusammen. Keiner von beiden hat sie bereitwillig preisgegeben. Nein, das klingt nicht konstruiert. Aber …«
Birgitta verstummte und lächelte geheimnisvoll, bevor sie fortfuhr: »… gegen das Versprechen, dass wir sie mit ihren ›Herren‹ in Ruhe lassen, hat sie mir den Namen des Dienstagsherren Nummer eins gegeben!«
»Sag bloß!«, rief Andersson beeindruckt aus.
»Ich rief in seinem Büro an und erklärte ihm, worum es ging. Er war zunächst nicht gerade auskunftsfreudig, aber als ich ihm mit einer formalen Vorladung gedroht habe, damit er hier im Haus seine Aussage macht, gab er doch klein bei. Er bestätigte Gunnel Forsells und Valles Geschichte.«
Sie schaute von ihren Notizen auf und streckte den Rücken: »Wenn ich eine Zusammenfassung geben soll, dann läuft sie darauf hinaus, dass Valle Reuter kein Mörder ist. Was ich auch keine Sekunde geglaubt habe.«
Sie warf Andersson einen auffordernden Blick zu und er beeilte sich, ihre Meinung zu bestätigen: »Nein. Man ermordet nicht seinen besten und einzigen Freund. Er hat kein Motiv und ist kein Mördertyp. Ich habe, wie schon gesagt, Birgittas und Valles Gespräch mit angehört. Apropos Gespräch, dieser Fotograf Bobo Torsson hat mich angerufen. Er wird diese Nacht noch in Stockholm bleiben, nimmt dann morgen den Zug und wird gegen Mittag hier sein. Einer von euch muss mit ihm reden. Ich muss diese bescheuerte Uniform anprobieren.«
Jonny schaute verwirrt drein: »Aber hast du das nicht heute schon gemacht?«
»Doch, ja, aber es gab nur Hosen in Kindergröße. Übrigens, hast du Ivan Viktors erreicht?«
»Ja, per Telefon. Er hat gegen drei Uhr angerufen und gesagt, er wäre gerade aus Kopenhagen zurückgekommen. Offensichtlich hat er aus den dänischen Fernsehnachrichten erfahren, was hier passiert ist. Man muss sich dieser Tage offensichtlich ständig die Haare waschen und ein neues Hemd anziehen, damit man auch gut auf dem Bildschirm aussieht.«
Er tat so, als spucke er in die Handflächen, und fuhr mit ihnen über das Haar. Birgitta schnaubte hörbar, doch bevor sie einen vernichtenden Kommentar von sich geben konnte, kam ihr Chef ihr zuvor: »Alle Kontakte mit den Massenmedien übernehme ich. Verweist sie auf mich. Das ist am einfachsten so. Ich habe am wenigsten Haar, das gewaschen werden muss.«
Der Kommissar imitierte Jonnys Geste über seiner eigenen Glatze. Irene musste unwillkürlich kichern.
Jonny schürzte die Lippen und schlug einen sachlichen Ton an: »Ivan Viktors kommt morgen um zehn hierher.«
»Dann redest du mit ihm. Noch was?«
»Ja, ich habe mir das Haus in Marstrand angeguckt. Ich meine, auf der Karte. Es liegt eigentlich auf einer Halbinsel nördlich von Marstrand, die Kärringnäset heißt. Zum einen umschließt der Besitz die ganze Halbinsel und ragt außerdem noch ein Stück ins Land hinein. Insgesamt handelt es sich um fünfzehn Hektar. Auf der Karte sieht man einen großen Stall und Weiden. Und zum See hin liegen zwei Häuser, jedes ungefähr hundert Quadratmeter groß. Ich konnte sehen, dass die Grundstücksgrenze mit einem kräftigen Zaun oder vielleicht auch einer Mauer markiert ist. Neben dem Stall, direkt an dem Weg zu von Knechts Palast, liegt ein Gebäude, genannt ›das Verwalterhaus‹. Und
Weitere Kostenlose Bücher