Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Lieber würde ich sterben.« Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Du fürchtest, ich könnte dir eine Last sein, nicht wahr?«
Tarō starrte sie an. Das war genau das, was ihm Sorgen machte.
Seufzend griff sie über ihre Schulter. Ein Katana erschien in ihrer Hand. Sie führte es in einem flachen Hieb herum, der eine Haaresbreite vor Tarōs Hals endete. Er schluckte und blickte stumm auf die Klinge hinab. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass sie bewaffnet war – und wenn sie ihm die Kehle hätte durchschneiden wollen, wäre das Blut schon aus der Wunde gespritzt, ehe er eine einzige Bewegung hätte machen können.
Tarō schob die Klinge sacht mit dem Zeigefinger beiseite. »Ich habe gesehen, wie du diesen Rōnin getötet hast, schon vergessen?«, fragte er. »Du brauchst mir nicht zu beweisen, dass du mit einem Schwert umgehen kannst.«
Hana ließ ihr Katana ein paar Mal anmutig durch die Luft schwingen, und Tarō erkannte, dass ihre Fähigkeiten im Kenjutsu seine noch übertrafen. »Gut«, erwiderte sie. » Vergiss das nur nicht.«
»Also schön«, sagte er. »Gehen wir.«
Die junge Frau hob die Hand und bedeutete ihm, kurz zu warten. Sie ging zu ihrem Bett und sammelte ein paar Dinge ein, die sie in einen Seidenbeutel steckte. Dann band sie eine Lederschiene um ihren linken Unterarm. Sie trat vor den Ständer und lockte den Sperber auf ihr Handgelenk.
Tarō sah den Vogel zweifelnd an.
»Sie kommt mit«, sagte Hana.
Tarō zuckte ergeben mit den Schultern. Er öffnete die Tür und sah ein Schwert auf sein Gesicht herabsausen, beidhändig geführt von einem stämmigen Samurai in einer Gesichtsmaske mit Hauern, die an ein Wildschwein erinnern sollte.
Tarō duckte sich instinktiv. Er spürte, wie die Luft über die Härchen in seinem Nacken strich, als die Klinge über ihm vorbeizischte. Er stach mit dem Kurzschwert zu und brachte dem Mann eine Wunde am fleischigen Oberschenkel bei. Der Samurai fluchte. Tarō richtete sich auf, parierte den nächsten Hieb und lenkte ihn mit der flachen Klinge ab. Dann spürte er tippende Finger auf seiner rechten Schulter und trat nach links, führte mit der Rückhand einen Hieb nach dem Gesicht des Mannes und hob dabei den Ellbogen so an, dass zwischen dem Arm und dem Körper eine große Lücke entstand. Er hoffte, dass er Hanas Signal richtig interpretiert hatte.
Der Samurai hob das Schwert, um den Schlag von rechts zu parieren – ein Fehler. Im selben Moment stieß Hana ihr Schwert durch die Lücke unter Tarōs Arm in den Bauch des Samurai. Der Mann röchelte und fiel rücklings an die gegenüberliegende Wand des schmalen Ganges. Sein Kopf sank herab.
Hana nickte. » Wir ergänzen uns gut.«
Tarō betrachtete die helläugige Fürstentochter mit dem blutigen Schwert in der Hand und dachte, dass er noch nie etwas so Schönes gesehen hatte.
Sie stiegen die Treppe hinab. Ein weiterer Samurai war auf dem Weg nach oben – sicher hatte er etwas gehört, als sein Kamerad gestorben war. Doch sein Schwertarm wurde von der Windung der Treppe behindert, und Tarō schaltete ihn mit einem einzigen wohlüberlegten Hieb aus. Er hastete weiter, immer zwei Stufen auf einmal, die Treppe hinunter.
»Warte«, sagte Hana, als sie an einer hölzernen Tür vorbeikamen.
Tarō blieb stehen.
»Du bist doch der Sohn des Fürsten Tokugawa, oder?«
Tarō nickte.
»Und deine Mutter?«
»Ich kenne sie nicht. Shūsaku – das ist der Ninja, der mich vor Daimyō Od … ich meine, vor den Ninja gerettet hat, die mich ermorden wollten – hat gesagt, es könnte die Fürstin Tokugawa sein, aber auch eine Konkubine. Es gibt keine Möglichkeit, das herauszufinden.«
Hana schüttelte den Kopf. »Doch, eine gibt es.« Sie wies auf die Tür. »Fürst Tokugawas Frau und Sohn sind hier drin. Sofern sie noch leben. Ich habe gesehen, wie sie in den Turm geschleppt wurden, ehe ich selbst in dieses Zimmer einziehen musste.«
Tarōs Magen glaubte plötzlich, er stürze aus großer Höhe ins Leere, und stieg folglich bis zu seinem Mund empor. Tarō spürte den Puls in seinen Adern hämmern. Die Fürstin Tokugawa. Wäre es ein Verrat an meiner anderen Mutter, wenn ich sie sehen möchte? Er hatte beinahe das Gefühl, als würde er seine alte Mutter töten oder die Taube, die Shūsaku ihr gegeben hatte, tot vom Himmel fallen lassen, wenn er diese andere Frau aufsuchte.
Aber das konnte gar nicht sein, oder? Das war nur Aberglaube, kein vernünftiger, klarer Gedanke.
»Komm«, sagte Hana. »
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