Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
gegangen, doch jetzt war er beinahe furchtbare Gewissheit.
Er hätte Heikō retten können. Er war nicht gelähmt, und es war sehr dumm von mir, ihm zu glauben.
Er hat gelogen.
Yukiko wich vor den beiden zurück, und vor Ekel drehte sich ihr der Magen um wie ein Fisch im Netz.
Kapitel 70
Prinzessin Hana starrte den Jungen an. Sie hatte den Namen Tarō erst neulich gehört – unter ganz außergewöhnlichen Umständen.
Er war gefallen, als ihr Vater mit diesem Ninja-Wächter gesprochen hatte.
Sie blickte in die verblüffend grauen Augen des Jungen. »Ich habe gehört, dass Fürst Tokugawa einen Sohn namens Tarō hat«, sagte sie. »Einen geheim gehaltenen Sohn.«
Wie sie halb erwartet hatte, blinzelte der Junge. »Ich … ich meine, ja, das bin ich.«
Sie hatte es zwar selbst für möglich gehalten, doch diese Bestätigung schockierte sie trotzdem. »Du bist wahrhaftig ein Tokugawa? «, fragte Prinzessin Hana den jungen Ninja ungläubig. Die Feindschaft zwischen ihrem Vater und dem Fürsten Tokugawa Ieyasu war ein Thema, über das selbst Hana gern mit ihrer Dienerin Sono getratscht hatte. Doch sie erschien ihr viel weniger abstrakt, seit die Frau und der Sohn des Fürsten Tokugawa in den Turm gezerrt worden waren. Jetzt erlebte sie ein verwirrendes Durcheinander von Gefühlen. Die Wut auf ihren Vater wegen seines Jähzorns und weil er andere Menschen so schlecht behandelte, rang mit einem tief sitzenden Misstrauen gegenüber dem Haus Tokugawa, das ihr schon in die Wiege gelegt worden war.
»Ja. Mein Vater hat mich in einem Fischerdorf versteckt. Fürst Oda hat versucht, mich ermorden zu lassen.« Er warf ihr einen gequälten Blick zu. » Tut mir leid, aber es ist die Wahrheit.«
Prinzessin Hana tat seine Entschuldigung mit einem Winken ab. Es überraschte sie nicht, dass ihr Vater sogar einen Jungen umbringen würde. Sie kannte seinen Charakter besser als jeder andere.
Außerdem hielt sie nicht allzu viel von Traditionen und Förmlichkeiten, obwohl die Tradition verlangt hätte, dass sie die Ehre ihres Vaters verteidigte. Wenn sie diesen Jungen ansah, bekam sie ein seltsames Gefühl in der Magengrube – ein Schwindeln wie im Sturz, als hätte eine Möwe ihr Herz geraubt und fliege wild damit herum. Sie empfand etwas für diesen Jungen, irgendeine starke Verbindung, die über ihre Bande an Familie oder Lehrer hinausging.
»Könnt Ihr … kannst … kannst du den Turm wieder hinunterklettern?«, fragte sie unsicher.
Der Ninja – Tokugawa no Tarō – schüttelte den Kopf. »Die Mauer ist zu glatt. Es war schon schwer genug, hier heraufzuklettern. Der Plan sah vor, dass wir über die Treppe fliehen.«
Hana starrte ihn an. »Da ist sicher eine Wache postiert. Vielleicht mehrere. Du könntest umkommen.«
Tarō lächelte schief. »Meine Mutter hat immer gesagt: Ame futte ji –«
»Katamaru«, beendete Hana den Satz. Ihre eigene Mutter hatte das auch oft gesagt. Eine Samurai - Tochter konnte in ihrem Leben eine Menge Regen erwarten, und es gab vieles, wogegen sie hart werden musste, deshalb war diese Redewendung meist sehr passend gewesen. Sie lächelte den Ninja an. »Deine Mutter muss eine kluge Frau sein.«
Ein bekümmerter Ausdruck huschte über sein Gesicht, und Hana hatte das Gefühl, dass seiner Mutter etwas zugestoßen war oder dass zwischen beiden etwas vorgefallen sein könnte. »Eure … deine anscheinend auch.« Er verneigte sich und sah sich dann stirnrunzelnd um. »Die andere … Ninja. Wo ist sie hin?«
Hana ließ den Blick durch das Turmzimmer schweifen. »Ich weiß es nicht.«
Tarō fluchte. »Ist Kira Kenji in der Nähe? Sie hat … eine Schuld bei ihm zu begleichen. Vielleicht sucht sie nach ihm.«
Hana schüttelte den Kopf. »Kira reist im Land umher und sucht irgendetwas. Ich glaube … er sucht dich.«
Tarō brummte. »Na, dann wird sie ihn hier nicht finden. Ich will hoffen, dass sie selbst einen Weg hinausfindet.«
Gleich darauf stand Tarō an der Tür zur Wendeltreppe. Er spürte Hanas Hand auf seinem Arm. »Ich komme mit dir«, sagte sie und zog einen schweren Kimono über ihr Schlafgewand.
»Was ist mit deinem Vater?«, fragte Tarō schockiert. Er fürchtete ohnehin schon, dass er die Burg nicht lebend verlassen würde. Noch zusätzlich ein Mädchen mitzuschleppen, und wenn es die Tochter eines Samurai war, käme einem Selbstmord gleich. »Solltest du nicht lieber hier bei ihm bleiben?«
»Wozu? Damit er mich nach Gutdünken verheiraten kann?
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