Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
fliegen. Ein Schrei war zu hören. »Ja …«, antwortete er atemlos. Die Ninja rückten immer weiter zu ihnen vor. Sie hatten schwere Verluste erlitten, doch sie waren einfach zu zahlreich, und sie waren stärker als gewöhnliche Männer. Sie versuchten immer wieder, Tarō und den guten Ninja einzukreisen, was die beiden zwang, Stück für Stück zu den papiernen Wänden des Hauses zurückzuweichen, um Hirō zu schützen.
Der gute Ninja drehte sich zu Hirō um. »Kannst du rennen?«
Tarōs massiger Freund hielt sich die blutende Wange. Die andere Hand hatte er zur Faust geballt, bereit, sich bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.
Er nickte.
Es gab kein Signal, keine weitere Vorwarnung. Der Ninja wandte sich um, rannte los und stolperte mehrmals, während er den steilen Hügel zum Meer hinunterjagte. Tarō packte Hirō am Arm und lief ebenfalls los. Er spürte, wie etwas Kleines, Scharfes in seinen Rücken drang, doch wie bei dem Shuriken, der noch in seinem Arm steckte, fühlte sich der Schmerz irgendwie fern an – nicht vollkommen weg, sondern eher so, als hebe er sich seine Wirkung für später auf. Er verzog das Gesicht und rannte weiter.
Tarō lief so schnell wie nie zuvor. Hirō, der an Land noch nie besonders schnell gewesen war, hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten. Zweimal stürzte er und fiel auf die Knie, und Tarō, der noch nie besonders stark gewesen war, zog ihn mühelos mit einer Hand auf die Füße.
Was auch immer der Ninja-Kyūketsuki mit ihm gemacht hatte, als er ihn gebissen hatte – es hatte ihm unglaubliche Kraft verliehen.
Schließlich brachen sie durch ein Gebüsch und rutschten eine Düne hinab auf den Strand. Der Mond schien über dem blauschwarzen Meer, das gläsern und still schimmerte. »Hier entlang!«, rief Tarō und deutete nach rechts, wo die Boote dicht vor dem Strand vertäut lagen. Er sah den Ninja einen scharfen Haken nach rechts schlagen, seinem ausgestreckten Finger nach. Die drei rannten mit voller Kraft auf ein kleines Fischerboot zu, das an Land festgemacht war und etwa ein Viertel Ri vor dem Ufer auf dem Wasser schaukelte. Weiter unten am Strand lagen zwei oder drei ähnliche Boote.
Tarō drehte sich im Laufen um und sah eine dunkle Gruppe Verfolger dicht hinter ihnen. Die Ninja holten rasch auf und blieben hin und wieder stehen, um Pfeile abzuschießen, die meist in den Sand dicht neben den Füßen der drei einschlugen. Zweimal musste Tarō sich ducken, als Pfeile über seinen Kopf hinwegzischten.
Der gute Ninja drehte sich um und blieb stehen, damit die ersten Verfolger ihn einholen konnten. Dann wirbelte er herum, duckte sich zugleich und führte das Schwert in einem tiefen Kreis herum, mit dem er dem ersten Mann die Füße an den Knöcheln abtrennte. Der Mann kreischte und fiel, und seine Füße standen im Sand wie Schuhe.
Der Verfolger dahinter hielt einen Augenblick inne, um sein Schwert zu ziehen, und gab Tarō damit Zeit, einen Pfeil abzuschießen, der den Mann in die Kehle traf.
Der gute Ninja beugte sich vor und zertrennte die Leine, mit der das erste Boot gesichert war, damit es nicht davontrieb. Im Laufen zerschnitt er auch die Leine des zweiten Bootes. Nun war nur noch eines an Land vertäut.
Tarō wirbelte herum und gab einen weiteren Schuss auf die dunklen Gestalten ab, die sie über den Strand jagten. Er hörte ein zorniges Zischen, als die Pfeilspitze ihr Ziel fand.
»Zum Boot«, sagte der Ninja. Ohne auf eine Antwort zu warten, warf er sich nach links, in die Wellen. Tarō schlang sich Bogen und Köcher über die Schulter – nach diesem Bad würde er den Bogen neu bespannen müssen – und folgte ihm. Er hörte ein Platschen hinter sich, als Hirō ins Meer sprang.
Kurz darauf hatten sie das Boot erreicht und hievten sich tropfnass, frierend und keuchend in die glitschige Nussschale. Gerade noch rechtzeitig. Als sie sich auf den Boden des Bootes rutschen ließen, schlug ein Pfeil dumpf in den hölzernen Rumpf ein.
Tarō blickte zum Strand zurück. Auf diese Entfernung konnte er nur schwer etwas erkennen, weil eine dünne Wolke den Mond verhüllte wie ein seidenes Leichentuch, doch er sah, dass die Ninja sich an der Wasserlinie versammelten. Einige von ihnen schossen immer noch Pfeile ins Wasser. Der Mond stand hinter ihnen, und offenbar konnten sie nicht sehen, dass ihre Beute es bereits ins Boot geschafft hatte.
»Warum schwimmen sie uns nicht nach?«, fragte Tarō.
»Weil sie nicht schwimmen können«, erklärte der Ninja.
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