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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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los.
    Eisfeld lag nicht weit von der westdeutschen Grenze entfernt. Nur ein paar Kilometer hinter einem Sperrgebiet begann die BRD. Das Dorf war um diese Zeit wie ausgestorben. Niemand war mehr unterwegs. Keine Fußgänger, keine Autos. Nur noch vereinzelt brannten Lichter. Hin und wieder bellte ein Hund den fast vollen Mond an.
    Als Max die Hauptstraße entlanggefahren war und das Dorf hinter sich gelassen hatte, hielt er das erste Mal an. Er war außer Atem. Die Beine taten ihm weh, und er schwitzte am ganzen Körper. Aber eher aus Angst als vor Anstrengung. Max wusste genau, dass es jetzt erst richtig gefährlich werden konnte. Er atmete tief ein und aus, stieg wieder aufs Fahrrad und fuhr weiter.
    Es war nicht mehr weit bis zur BRD-Grenze, an der sich hohe Wachtürme reihten, auf denen Soldaten mit Suchscheinwerfern und Nachtsichtgeräten die Grenze kontrollierten.Auch entlang des Grenzzauns patrouillierte Wachpersonal mit scharfen Waffen und ebenso scharfen Hunden, die hin und wieder aufheulten. Max wusste es von seinem Großvater, der gerne darüber redete und seinem Enkel bereitwillig Auskunft gegeben hatte.
    Mit ein wenig Glück und viel Geschick, dachte Max, könnte er an den Grenzanlagen vorbei in den Westen gelangen. Einen genauen Plan hatte er allerdings nicht.
    Als er sein Fahrrad vor einem Waldstück abstellte, zu Fuß weiterging und der von Scheinwerfern beleuchteten Grenze immer näher kam, erkannte Max, dass es beinahe aussichtslos war, unerkannt in den Westen zu gelangen. Ich glaube, in diesem Moment überlegte er ernsthaft, wieder umzukehren.
    Zu spät.
    »Halt! Stehen bleiben!«
    Max blieb erschrocken stehen. Er sah sich eingeschüchtert um und blickte direkt in den Schein einer Lampe, der so hell war, dass er geblendet wurde. Dumpfe Schritte waren zu hören. Aus dem grellen Licht tauchten zwei Männer in Uniform auf. Sie hatten ihre Gewehre direkt auf Max gerichtet.
    »Hände hoch!«
    Max riss die Hände in die Luft.
    »Wen haben wir denn da?«, kam eine Stimme aus der Dunkelheit. Sie klang ein wenig versöhnlicher.
    »Na, hast du dich verlaufen?«, fragte der andere Soldat und grinste dabei.
    Max nickte.
    »Oder wolltest du zum kapitalistischen Feind?«, fragte der andere.
    Max schüttelte den Kopf.
    »Na, dann komm mal mit.«
    Die Gewehre wurden wieder umgehängt. Einer der beiden Soldaten packte Max an der Schulter und schob ihn wie eine widerspenstige Tonne vor sich her.
    In einer der Grenzbaracken prasselten dann Fragen der Grenzbeamten auf Max nieder. Er beantwortete sie mit gesenktem Kopf und schwacher Stimme. Die Grenzbeamten wollten einfach alles wissen. Nicht nur, wie alt er sei, woher er käme und wie er hieße, sondern auch, wie seine Eltern so wären und was sie zu Hause so redeten, über das Land, die Politiker und die Zukunft.
    Als Max schließlich sagte, er sei erst kürzlich zusammen mit seinen Eltern aus dem Westen in die DDR übergesiedelt, schüttelten die Grenzsoldaten verwundert und ungläubig den Kopf. Und Max schien zum ersten Mal ein wenig zu lächeln.
    Zum Schluss musste er seine Hosentaschen ausleeren. Auch der Inhalt seines umhängebeutels landete auf dem Tisch.
    »Was haben wir denn da Schönes?« Einer der Soldaten griff nach mir, sah mich verwundert an und schüttelte den Kopf.
    »Schenk ich Ihnen«, sagte Max, noch immer mit schwacher Stimme, ohne mich anzuschauen.
    Zuerst war ich genauso überrascht wie der Grenzsoldat. Dann aber erkannte ich, warum Max mich so plötzlich loswerden wollte: Ihm wurde hier, am Tisch in der Grenzbaracke, mit einem Mal klar, dass er nie wieder in den Westen und zu Irén zurückkehren konnte. Zugleich wusste er, dass ich ihn immer an den Westen und Irén erinnern würde. Und das wollte er nicht, also gab er mich weg.
    »Danke«, sagte der Grenzbeamte und stellte mich achtlos neben das graue Telefon.
    * * *
    Am nächsten Morgen wurde Max zu seinen Eltern zurückgebracht.
    Ich dagegen fuhr in der muffigen Tasche des Grenzbeamten, in der es auffällig nach Essensresten und Schuhcreme roch, nach Ostberlin. Der Mann – er war noch ein junger Bursche – hieß Rene und hatte eine Wohnung im vierten Stock in der Brunnenstraße. In der Wohnung roch es ähnlich eigenartig wie in der Tasche, nur nicht nach Schuhcreme, sondern nach abgestandener Luft, Putz- und Desinfektionsmittel.
    Rene, der von Anfang an einen eigenartigen Eindruck auf mich machte, redete ständig mit sich selbst, wenn er allein war. Manchmal verstellte er dabei sogar seine

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