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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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meinen Großeltern. Nach Suhl in Thüringen. In den Osten. Da ist sie aufgewachsen.«
    In die DDR , dachte ich. Irén schien sich wieder an die Worte von Fräulein Schmitz zu erinnern. Zumindest ließ ihr Gesichtsausdruck eindeutig darauf schließen.
    Seltsam, ging es mir durch den Kopf. Max’ Mutter will in das Land, an dem Fräulein Schmitz kein gutes Haar lässt und sogar durch den Fluss geschwommen ist, um ihm zu entkommen.
    »Ich glaube, Mama wird sich durchsetzen«, sagte Max, als von nebenan das Weinen der Mutter noch lauter zu hören war. »Sie hat sich bisher immer durchgesetzt.«
    Es klang ein wenig verbittert.
    »Es ist nur noch eine Frage der Zeit«, fügte Max hinzu. »Dann wird Papa einknicken. Er wird keine Lust mehr haben, sich Mamas unzufriedenheit anzuhören. Wir werden die Koffer packen und nach drüben gehen.«
    Es klang alles andere als erfreut. Es klang traurig.
    »Und du? Was willst du?« Irén fragte es nach einer Pause, während von nebenan das Schluchzen von Max’ Mutter durch die Wände drang.
    Max sah jetzt noch trauriger aus.
    »Weiß nicht.«
    * * *
    Von da an trafen sich Max und Irén nicht mehr bei ihm zu Hause. Es schien, als wäre es Max unangenehm. Auch Irén fühlte sich viel wohler, wenn sie sich woanders sahen als in Max’ Kinderzimmer. Das kam immer öfter vor, je mehr Zeit verging. Fast jeden Nachmittag hingen die beiden zusammen. Es schien, als hätte Max keine anderen Freunde.
    Zumindest sah ich nie welche bei ihm. Allerdings wurde ich auch nicht immer von Irén mitgenommen. Je öfter die beiden sich trafen, meistens am See oder in der Stadt, umso seltener war ich dabei. Schlussendlich hatte ich das Gefühl, Irén wollte etwas vor mir verbergen. Es war natürlich nicht schwer herauszufinden, was das sein konnte. Auch Lehel schien sich ähnliche Gedanken über Max und Irén zu machen. Auf jeden Fall sagte sie einmal zu mir, als Irén wieder ohne mich mit Max loszog: »Ich glaube, Irén ist verliebt.«
    Klar ist sie verliebt , dachte ich. Und Max auch . Klar war auch, dass Irén das auf keinen Fall ihrer kleinen, neugierigen Schwester auf die Nase binden wollte.
    Aber mir hätte sie es anvertrauen können, verdammt!
    * * *
    Als Irén einmal später als vereinbart von Max zurückkam, fing ihre Mutter an zu zetern.
    »Wo warst du so lange?«, schrie sie.
    »Bei Max!« Irén sagte es ganz ruhig und ohne rot zu werden.
    Ich wusste, dass es nicht stimmte. Sie war nicht bei Max gewesen, sondern mit Max, irgendwo in der Stadt, vermutlich Eis essen. Auf ihrer Bluse waren Flecken zu sehen.
    »Was hast du da so lange gemacht?«
    Ihre Mutter schien mit der Antwort ihrer Tochter ganz und gar nicht zufrieden zu sein.
    »Nichts.«
    »Vielleicht willst du für immer da bleiben!« Es klang frostig, eingeschnappt und enttäuscht.
    »Mama!«
    »Ich kann ja mal Dr. Kurze fragen, ob er dich adoptiert.«
    »Was ist adoptieren?«, fragte Lehel.
    »Nichts«, sagte die Mutter und strich ihrer Jüngsten über den Kopf.
    »Was soll das, Mama?« Irén gab nicht so schnell klein bei.
    »Was soll das?«, äffte die Mutter sie zornig nach. »Was soll das, dass du kaum mehr hier bist?«
    »Was soll ich denn hier?«, erwiderte Irén trotzig. »Hier ist es eng, hier stinkt’s, und die Leute kann ich nicht ausstehen.«
    »Ah, so ist das. Die kleine Irén ist was Besseres, seit sie mit dem Sohn des Arztes verkehrt, was?« Die Mutter klang nun gekränkt und ein wenig eifersüchtig.
    »Das hat damit nichts zu tun«, widersprach Irén.
    »Womit dann?«
    »Das weißt du nicht?«, fragte Irén vorwurfsvoll und blickte ihre Mutter aufmüpfig an.
    »Sag es mir!«
    »Sag du mir lieber, warum Onkel Zoltan uns nicht abholt.«
    »Er wird schon noch kommen«, murmelte die Mutter wie nebenbei.
    »Mama?«
    »Was ist denn?«
    »Ich glaube, du sagst uns nicht alles.«
    »Was soll das, Irén? Glaubst du, deine eigene Mutter lügt euch an?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wo ist Onkel Zoltan?«, fragte nun auch Lehel.
    »Das würde ich auch zu gerne wissen.« Aus Iréns Mund klang es noch bitterer. »Ich weiß nur, dass es irgendwie komisch ist, dass Onkel Zoltan nicht kommt und uns von hier wegholt.«
    »Hör auf, Irén!«, schrie ihre Mutter.
    »Du hast doch gesagt, dass er …«
    »Hör endlich auf!«
    »Er wird nie kommen, Mama, nie!«, schrie Irén wie zuvor ihre Mutter.
    »Irén!«
    »Er weiß gar nicht, dass wir hier sind!«
    »Das ist doch …«
    »Und wenn, will er es nicht wissen. Sonst wäre er längst hier. Wir warten

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