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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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auch im Fernsehen gezeigt.
    »charlie Brown«, sagte der Junge in einem Tonfall, wie man »Heiliger Bimbam!« sagt.
    Der Bademeister zuckte mit den Schultern. Dann nickte er.
    »Snoopy«, kam ähnlich selbstverständlich von dem Jungen.
    »Das ist doch ein Hund«, sagte der Bademeister. »Aber kein Nussknacker.«
    »Exakt!« Der Daumen des Jungen ging nach oben. »Woodstock.«
    »Ein Vogel«, sagte der Bademeister. »Auch kein Nussknacker.«
    »Exakt!« Der Zeigefinger des Jungen schoss in die Höhe. Dann folgten die anderen Finger einschließlich Daumen, als er herunterrasselte: »Schroeder, Lucy, Linus und Peppermint Patty.«
    »Das sind alles keine Nussknacker«, erwiderte der Bademeister. Er schien noch immer nicht zu kapieren, worauf der Junge hinauswollte.
    »Exakt.«
    »Und?«
    »Der hier ist alles in einem!« Der Junge zeigte wieder auf mich, dieses Mal mit beiden Armen, als wäre ich kein Nussknacker, sondern der Jackpot, für was auch immer.
    »Hä?« Der Bademeister verzog das Gesicht, sodass er ziemlich hässlich aussah.
    Wenn jetzt die junge schwangere Frau hereinkommen würde, dachte ich, würde sie sich bestimmt von ihm trennen. Aber die Frau kam nicht. Dafür kam vom Bademeister die Frage: »Willst du mich verscheißern?«
    Der Junge schüttelte den Kopf und sah noch immer bestens gelaunt aus.
    »Der Nussknacker ist der Held der neuen Comicserie ›Nussknackers Welt‹. Die erste Folge spielt in Vietnam.«
    Der Bademeister schwankte zwischen Erstaunen und Misstrauen. Dann veränderte sich seine Miene. Das Boshafte verschwand. Er sah jetzt aus wie eine Kuh vor einem Elektrozaun. So, als könne er nicht allzu viel von dem begreifen, was der Junge ihm erzählte.
    Das schien auch der Junge zu merken. Er fragte, wie man ein kleines Kind fragt: »Vietnam? Schon mal gehört?«
    »Bist du ein Klugscheißer, oder willst du mich veräppeln?«, fuhr der Bademeister auf.
    Beides, nahm ich an. Der Junge schien genau zu wissen, was er wollte.
    »Nein! Ich schwör’s!« Er hob feierlich die Hände. Zuerst die eine, dann die andere.
    Doppelt hält besser , dachte ich.
    »Beweis es!«, sagte der Bademeister.
    Der Junge schien nachzudenken. Dabei fixierte er mich mit festem Blick, als wollte er sich meinen Anblick einprägen.
    »Okay«, sagte er schließlich. »Nächste Woche komme ich wieder, mit dem Prototyp des Comics.«
    »Mit was?«
    »Ich zeige Ihnen ›Nussknackers Welt‹, die erste Folge, in Vietnam.«
    Der Bademeister schien noch immer auf dem Schlauch zu stehen.
    »Und dann gehört er mir, okay?«
    Der Junge hielt dem Bademeister die Hand hin. Der schien noch immer zu zögern, schlug schließlich aber ein.
    »Abgemacht.«
    Der Junge verabschiedete sich und verließ den Glaskasten des Bademeisters.
    Der Bademeister schaute mich an, tippte sich an die Stirn und sagte: »Der hat sie nicht alle.«
    Da war ich mir nicht so sicher.
    * * *
    Genau eine Woche später stand der Junge exakt zur gleichen Zeit wieder im Kabuff des Bademeisters. Unter dem Arm hatte er einen Zeichenblock.
    Was dann geschah, war unglaublich. Aber ich schwöre, es ist die Wahrheit.
    Der Junge legte den Zeichenblock auf den Tisch und schlug ihn feierlich auf, als wäre er ein goldenes Buch. Was ich sah, raubte mir beinahe den Atem. Es war im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend!
    Auf dem Zeichenblock waren kleine Vierecke zu sehen. In den Vierecken war ich. Ich war gemalt. Ich, der Nussknacker. Und zwar nicht irgendwo, sondern in Vietnam, wie von dem Jungen vorausgesagt.
    Er blätterte um, und »Nussknackers Welt, Folge Vietnam« begann.

 











1966, Ramstein, Rheinland-Pfalz, BRD
    Der Soldat wurde im Militärkrankenhaus sofort in den Operationssaal geschoben und operiert. Natürlich wurde ihm vorher seine Uniform ausgezogen und auf einen Haufen geworfen. Dabei fiel ich aus der Tasche und landete direkt neben einem Mülleimer. Bloß gut, dass ich nicht hineingefallen war!
    Lange blieb ich allerdings nicht auf dem Linoleumboden neben dem Mülleimer liegen. Eine Krankenschwester mit weißem Kittel bückte sich nach mir und sagte erstaunt: »Huch, was ist das denn?«
    Immer dieselbe Frage beim Anblick meiner Wenigkeit , ging es mir durch den Kopf. Als ob es unergründlich schwer wäre, mich als den zu identifizieren, der ich war.
    »Der hat ja ein Loch!«, sagte die Schwester, auf deren Kittel »Schwester Lisa« stand.
    Ich hatte tatsächlich ein Loch, ein, zwei Zentimeter oberhalb des Knies. Ein Loch, das von der Kugel aus

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