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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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als sie mit Luzie schon Stunden vor der Ankunft der Besucher in der Hofeinfahrt auf und ab ging und ungeduldig auf die Verwandtschaft aus dem Westen wartete.
    Opa Ludger saß entspannt in seinem Schaukelstuhl, und Luzies Mutter hatte schon den ganzen Morgen das Essen vorbereitet.
    Als die Verwandten dann mit einem nagelneuen VW-Käfer vorfuhren, schien es mir, als blieben Miriam und Luzie die Münder vor Begeisterung offen stehen.
    Es folgte eine herzliche Begrüßung und die anschließende Überreichung der mitgebrachten Geschenke. Wobei es sichum das Übliche handelte, also Seidenstrümpfe, Waschmittel, Karamellbonbons, Gummibärchen und dergleichen.
    »Ihr habt doch bestimmt schon Hunger«, sagte Luzies Mutter, die sich noch immer die Kochschürze umgebunden hatte, und trug schon mal die Suppe auf.
    Alle setzten sich an den runden Esstisch, während Luzies Mutter mit einem großen Schöpflöffel die köstlich duftende Grießklößchensuppe in die tiefen Teller verteilte.
    Auch Miriam saß jetzt neben Luzie mit am Tisch und bekam einen Schöpflöffel voll Suppe.
    »Guten Appetit«, sagte Opa Ludger.
    Tante Lisa und Onkel Hermann murmelten: »Mahlzeit.«
    Sie führten schon die ersten Löffel zum Mund und quittierten den Genuss mit: »Köstlich, wirklich köstlich.«
    Nach zwei weiteren Löffeln sagte Onkel Hermann, um einen freundlichen Tonfall bemüht und so, als wollte er das Gespräch in Gang bringen: »Neulich war der amerikanische Präsident in Berlin. Habt ihr das gesehen?«
    Opa Ludger antwortete nicht. Er blickte nicht einmal von seinem Teller auf.
    Auch Luzies Mutter gab sich verschlossen. Nur Miriam und Luzie horchten auf und schauten den Onkel aufmerksam und neugierig an.
    »Ihr guckt doch Westfernsehen, oder?«
    Der Onkel richtete die Frage an die beiden Mädchen. Ludger und die Mutter reagierten noch immer nicht.
    »Mama manchmal«, sagte Luzie. Woraufhin ihre Mutter gereizt »Luzie!« sagte.
    Dabei spritzte ein wenig Suppe aus ihrem Mund zurück auf den Teller.
    »Ich nicht«, sagte Opa Ludger trocken und hielt seinen Blick noch immer in der Suppe verborgen.
    »›Ich bin ein Berliner‹, hat der Präsident gesagt«, fügte Onkel Hermann unverändert freundlich und um Kommunikation bemüht hinzu. »Damit hat er ein Zeichen gesetzt.«
    Ludger lachte gehässig, blickte das erste Mal von seinem nun leeren Teller auf und fragte: »Ost oder West?«
    Hm , dachte ich, das Gleiche habe ich mich damals in Stuttgart im Glaskasten des Schwimmbades auch gefragt.
    Onkel Hermann schien ein wenig verwirrt zu sein und erwiderte: »West natürlich!«
    Er blickte seinen Schwiegervater Ludger an, als sähe er ihn zum ersten Mal.
    »Na prima«, entgegnete Opa Ludger, noch immer mit einem Schmunzeln in den Mundwinkeln. »Da bin ich aber froh, dass der nicht zu uns gehört.«
    »Ludger!«, raunzte Luzies Mutter, während Onkel Hermann bissig lachte.
    »Wer will denn schon zu euch gehören?«, sagte er und richtete einen unheilvollen Blick auf Ludger. »Nicht mal die eigenen Leute.«
    »Hermann!«, rief Tante Lisa.
    »Ist doch wahr.« Onkel Hermann klang nicht mehr ganz so verärgert. »Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern.«
    Hermann führte wieder einen Löffel zum Mund und schlürfte die Suppe auffällig laut, wobei Tante Lisa ihrer Schwester einen heimlichen Blick zuwarf und dabei die Augen verdrehte.
    » Was pfeifen die Spatzen von den Dächern?«, fragte Luzie nach einer kurzen Pause, in der nichts gesprochen wurde. Interessiert blickte sie zu ihrem West-Onkel.
    Als hätte der schon lange auf diese Frage gewartet, sagte er, diesmal mit der verstellten Stimme eines Märchenonkels und ein wenig zu Luzie gebeugt: »Dass eurem Land die Menschen davonlaufen. Dass bei euch niemand mehr bleiben will.«
    »Ich schon!«, mischte Opa Ludger sich ein und warf den Löffel neben den Teller, dass es schepperte.
    »Du ja!«, erwiderte der Onkel, diesmal nicht mit der Märchenstimme. »Du und alle unverbesserlichen!«
    »Wenn es in unserem Land so furchtbar ist«, sagte Opa Ludger und steckte sich dabei eine Zigarre an, »was wollt ihr dann hier?«
    Onkel Hermann und Tante Lisa schauten sich zuerst irritiert, dann empört an. Wobei Opa Ludger in hämischem Tonfall nachsetzte: »Hab ich was verpasst, oder hat euch jemand gerufen?«
    »Ludger!«, fauchte wieder Luzies Mutter. Sie war so rot wie die Blumen auf der Plastetischdecke.
    Hermann sprang vom Tisch auf, riss sich die Serviette vom Hals und pfefferte sie neben den

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