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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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zur Decke. »Seltsam, da ist doch nur der Speicher!«
    Sie stand auf, nahm mich in die Hand und ging im Nachthemd und ohne Licht anzumachen auf den Flur. Das ganze Haus war dunkel.
    Bestimmt schlafen die Eltern schon , dachte ich, als auf dem Flur das Geräusch plötzlich noch lauter zu hören war. Es klang wie eine surrende Maschine.
    »Pssst!«, machte Miriam, legte einen Finger auf den Mund und schlich den Flur entlang. Der Holzboden knarrte bei jedem Schritt. Sie stieg die schmale Treppe zum Speicher hoch. Das Geräusch kam näher und wurde lauter. Am Ende der Treppe öffnete Miriam mit einer Hand die Luke zum Speicher. In der anderen hielt sie mich noch immer fest. Das Geräusch war jetzt so laut, dass kein Zweifel mehr daran bestand, dass es hier seinen ursprung haben musste. An der Luke vorbei erkannten wir …
    »Papa!«, murmelte Miriam fast lautlos.
    Tatsächlich, Miriams Vater saß an einer Nähmaschine auf dem Speicher und schien große, bunte Stoffstücke aneinander zu nähen. Ihre Mutter stand in Hauspantoffeln daneben und half ihm. Neben Miriams Eltern saßen an einer zweiten Nähmaschine der Arbeitskollege ihres Vaters, Herr Wellinghaus, und seine Frau. Sie nähten ebenfalls Stoffstücke aneinander.
    Was hat das zu bedeuten? , fragte ich mich. Miriam schien dasselbe zu denken.
    Plötzlich verstummte das Nähmaschinengeräusch, und die vier Erwachsenen schauten erschrocken zur Speicherluke.
    »Miriam! Was machst du denn hier?«
    Tja, das hätte Miriam gerne auch von ihnen gewusst.
    »Und ihr?«
    Die Erwachsenen schauten verlegen. Dann sahen sie sich gegenseitig an. Frau Wellinghaus räusperte sich. Herr Wellinghaus zündete sich eine Zigarette an. Miriams Mutter sagte: »Na, komm mal her!«
    »Und mach die Luke zu«, ergänzte ihr Vater.
    Miriam setzte sich auf einen Stuhl neben die Nähmaschine. Ihre Mutter kniete sich davor. Ihr Vater legte eine Hand auf Miriams Schulter. Herr und Frau Wellinghaus rückten ebenfalls ein Stück näher heran.
    Was haben die vor? , dachte ich. Konspirative Sitzung oder was?
    »Hör mal zu, mein Schatz. Was wir dir jetzt anvertrauen, ist nur für deine Ohren bestimmt«, sagte Miriams Mutter leise und eindringlich. Miriam sah aus, als ob sie nicht ganz verstünde.
    Macht es nicht so kompliziert , dachte ich. Raus mit der Sprache.
    »Wir können hier nicht mehr bleiben.«
    »Wo hier?«
    »In diesem Land, in der DDR. Du weißt ja, Papa kann nicht mehr richtig arbeiten, und der Ausreiseantrag wurde abgelehnt …«
    »Wir gehen in den Westen«, platzte Miriams Vater dazwischen und brachte es damit auf den Punkt. Herr und Frau Wellinghaus nickten ernst und zogen nervös an ihren Zigaretten.
    »Aber wie denn?« Miriam schaute ihren Vater erstaunt an.
    »Wir fliegen.«
    Miriam lächelte.
    »Aber Papa, du weißt doch ganz genau, dass die uns nicht mal in eine Maschine einsteigen lassen.«
    »Wir fliegen auch nicht mit einer Maschine.«
    Miriams Lächeln erlosch.
    »Womit dann?«
    Herr Wellinghaus zeigte auf die bunten Stoff bahnen, die auf dem Speicherboden lagen.
    Spinnt der? , dachte ich. Wie soll man denn mit ein paar lächerlichen Bettlaken fliegen können? Damit kann man nicht mal vom Boden abheben. Im Märchen vielleicht, aber nicht im richtigen Leben.
    »Was, damit?« Miriam hatte ebenfalls Verständnisschwierigkeiten.
    Ihre Mutter nickte. »Wir nähen uns einen Ballon.«
    »Und mit dem fliegen wir nach drüben«, ergänzte Frau Wellinghaus mit roten Wangen und drückte ihre Zigarette aus.
    »Und das soll funktionieren?«
    Herr Wellinghaus bewegte den Kopf so heftig, dass eigene Zweifel erst gar nicht auf kommen konnten. »Alles hundertmal berechnet und durchprobiert.«
    Er zeigte auf einen Stapel Pläne und Zeichnungen, sodass sich die kurzzeitig besorgten Gesichter der anderen wieder entspannten. Ich konnte die komplizierten Skizzen und Berechnungen auf den Papierbögen erkennen, die ähnlich groß waren wie die Stoff bahnen, und war mir nicht ganz im Klaren darüber, wie so ein verworrenes, papierenes Liniengespinst fliegen sollte.
    »Wenn die Stoff bahnen erst zusammengenäht sind, muss nur noch der Wind richtig stehen, und dann …«
    Herr Wellinghaus pfiff durch die Zähne und deutete mit der Hand einen großen Bogen an. Frau Wellinghaus lächelte und umarmte ihren Mann. Ihre Wangen glühten. Miriams Mutter lächelte ebenfalls. Ihre Augen funkelten, und auch ihre Wangen glänzten rot.
    »Na, was hältst du davon, mein Schatz?«
    Miriam hob die Schultern. Dann

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