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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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brauchte ein paar Sekunden, um sich von dieser streitsüchtigen Antwort zu erholen. Er blickte seinen Sohn Hilfe suchend an. Der aber lächelte nur leise vor sich hin.
    Die Mutter sagte: »Holger!« Es hörte sich an wie »Hilfe!«
    Holger kaute Kaugummi, nahm seine Freundin demonstrativ in den Arm und grinste noch immer, jetzt sogar noch selbstgefälliger. Das Mädchen grinste ebenfalls.
    »Hippies! Nichtsnutzige Schmarotzer!« Der Vater war jetzt knallrot im Gesicht. »Ihr seid doch …«
    »Und was bist du?«, unterbrach Holger ihn mit leiser Stimme, was ihn noch arglistiger erscheinen ließ. »Ein Kapitalistenschwein, das die Arbeiter ausbeutet! Der wie die Made im Speck lebt! Du bist der Schmarotzer.«
    Diese Worte trafen den Vater schwer. Er taumelte und rang um Haltung, während Holger nachlegte, noch immer ganz ruhig. »Aber nicht mehr lange, dann geht es auch dir an den Kragen.«
    Das Mädchen neben ihm nickte und sah Holger dabei schwärmerisch an.
    »Von wem? Von dir? und dir?« Der Vater, noch immer rot im Gesicht, zeigte zuerst auf den Sohn, dann auf dessen Freundin. Dann lachte er hasserfüllt. »Dafür fehlt dir der Mumm!«,rief er. »Dafür bist du viel zu weich und zu feige. Du bist ein Versager, ein Schwächling, ein Weichei, ein Jammerlappen …«
    »Robert, hör bitte auf«, wurde er von der Mutter unterbrochen.
    »Ist doch wahr!«, kam nun leiser, aber nicht weniger zänkisch vom Vater.
    Er trat ein, zwei Schritte auf seinen ältesten Sohn zu. Ich wusste nicht, ob er ihn einschüchtern oder ihm die Hand zur Versöhnung reichen wollte. Holger griff blitzschnell nach einem Messer, das auf der Anrichte lag, und richtete es gegen den Vater. Der erschrak und blieb abrupt stehen. Dann lachte er wieder.
    »Dazu bist du doch gar nicht fähig!«
    »Robert, bitte!«
    »Dazu …«
    Ehe der Vater weiterreden konnte, schwang der Sohn das Messer und ritzte den Vater am unterarm. Es war ein kleiner Schnitt, aus dem nur wenig Blut drang. Es sah aus wie eine feine, dünne rote Linie. Der Vater verstummte abrupt. Die Mutter schlug die Hand vor den Mund. Die Blicke der beiden waren eine Mischung aus Erschütterung, Panik und Schrecken.
    Holger warf das Messer gegen die Wand. Vor dort prallte es gegen eine kostbare Vase, die auf dem Boden stand. Die Vase zersprang. Die Zwillinge, die die ganze Zeit regungslos auf der Esszimmerbank saßen, grinsten. Es war das zweite Mal, dass ich sie lächeln sah.
    Der Bruder und seine Freundin gingen langsam und ohne Eile zur verglasten Eingangstür, öffneten sie und ließen sie hinter sich laut ins Schloss krachen. Dann waren sie verschwunden.
    Danach habe ich Holger und seine Freundin nie wiedergesehen.
    * * *
    Die Großmutter war gemeinsam mit den Zwillingen unterwegs. Die beiden begleiteten sie beim Einkaufen. Zuerst waren wir in einem großen Kaufhaus in Haidhausen, in der Nähe vom Ostbahnhof. Kaum hatten wir das Kaufhaus betreten, war ich wie benommen von den vielen Eindrücken. Was ich sah, erstaunte und schockiert mich.
    Was ist das denn? , dachte ich. Ich sah Heerscharen von Nussknackern, die in Regalen standen. Sogar welche aus Plastik. Widerlich. Billigware, aus China importiert. Da hatte einer von meiner Sorte natürlich keine Chance. Ich war zu teuer. Ein billiger tat es ja auch.
    Ich dachte an den Vater von Wilhelm, den Holzschnitzer aus Oberammergau, und an alle anderen Schnitzer aus Oberammergau und sonst wo. Für sie war es sicher nicht einfach, ihre Nussknacker an den Kunden zu bringen. Wenn man das Überangebot betrachtete, schien es sogar unmöglich zu sein. Die Konkurrenz war einfach zu groß. Da hatten die Holzschnitzer keine Zukunft mehr, und die geschnitzten Nussknacker schon gar nicht. Zum ersten Mal freute ich mich über meinen zugeleimten Mund und war froh, dass ich nicht zum Nüsseknacken taugte.
    Die beiden Jungs staunten ebenfalls. Auch sie schienen dieses Massenangebot nicht begreifen zu können. Auch sie standen vor den Regalen, als könnten sie sich angesichts dieser Fülle nicht entscheiden.
    »Na, wäre das nichts für euch?«
    Die Großmutter hielt einen bunten Nussknacker aus Plastik hoch. »Der ist doch viel schöner als der da!« Sie zeigte auf die Hand des einen Jungen, der mich festhielt. »Na, wie wär’s? Wenn ihr wollt, bekommt jeder einen.« Sie hielt einen zweiten Nussknacker in die Höhe, der genauso aussah wie der erste. »Dann könnt ihr den wegwerfen.« Wieder zeigte sie auf mich.
    Der Junge ließ mich hinter seinem Rücken

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