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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Haaren.
    »Wo wollt ihr hin?«, fragte er.
    »Sylt«, sagte Klemens.
    »Ich auch.«
    Mir war sofort klar, dass es für die Jungs noch schwieriger werden würde, hier zu dritt wegzukommen. Eigentlich war es aussichtslos.
    Der Junge quatschte ständig vor sich hin, sagte, dass es wahnsinnig geil wäre, hier im Regen zu stehen und dass es nichts Schöneres gäbe, als durch die Welt zu trampen.
    »Neuen Horizonten entgegen!«
    Entweder ist der durchgeknallt , dachte ich, oder er hat eine schlimme Zeit hinter sich.
    Klemens und Vincent sagten nichts. Ich sah ihnen an, dass sie ähnlich dachten.
    Schließlich schien es auch dem Jungen aufzufallen, dass seit einer halben Stunde kein einziges Auto angehalten hatte, ja, nicht einmal den Versuch gemacht hatte.
    »Hm, da müssen wir was unternehmen«, sagte er und legte die nasse Stirn in Falten. Es hörte sich an, als hätte er auch schon eine Idee. »Wir müssen die austricksen.«
    Er zeigte auf die vorbeifahrenden Autos. Nach kurzer Überlegung schlug er vor, dass sich zwei von ihnen hinter der Bushaltestelle verstecken sollten, weil die Chancen, dass einer allein einen Platz ergatterte, größer wären.
    Er brauchte ziemlich lange, um zu sagen, was er sagen wollte. Der Vorschlag klang dennoch ganz passabel.
    Also stellten Klemens und er sich hinter die Bushaltestelle, damit sie nicht gesehen werden konnten. Vincent und ich blieben am Straßenrand. Vincent hielt den Finger raus.
    Und tatsächlich, keine fünf Minuten später stoppte ein bunterRenault 4, kaum zehn Meter von der Bushaltestelle entfernt. Alle drei sprangen, mittlerweile völlig durchnässt, dem Wagen hinterher. Die Hintertür wurde aufgestoßen, und die drei stiegen schnell ein.
    Auf dem Fahrersitz saß ein Mann mit dichtem Bart, der älter aussah, als er vermutlich war. Auf dem Beifahrersitz hockte eine rothaarige junge Frau, in deren Mundwinkel eine brennende Zigarette steckte.
    Beide schienen amüsiert über das Täuschungsmanöver der Jungs. Dann fragte die Frau, wohin sie wollten.
    »Einfach weg von hier«, sagte der Junge, was mit seinen tropfenden, schulterlangen Haaren überzeugend klang.
    Der Mann lachte, legte krachend den ersten Gang ein und sagte: »Na, dann seid ihr hier goldrichtig.«
    Er fuhr los. Die Scheibenwischer schrubbten von einer Seite zur anderen, begleitet von einem jammernden Ton. Auf dem Rücksitz lag allerhand Krempel. Zeitungen, Flaschen, Klamotten, Schlafsack, sodass die drei sich erst einmal Platz verschaffen mussten.
    Der Junge saß hinter dem Beifahrersitz und quatschte auch im Auto unentwegt vor sich hin. Zuerst erzählte er, dass er Astronaut werden wolle. Anschließend fragte er dem Fahrer und der Frau Löcher in den Bauch. Zuerst antwortete die Frau noch artig, bis ihr die Fragerei auf die Nerven ging. »Lass mal gut sein«, sagte sie.
    Der Junge hielt tatsächlich die Klappe. Als die Frau sich nach ungefähr einer halben Stunde umdrehte und Klemens und Vincent fragte: »Und wo kommt ihr beide her?«, waren sie bereits eingeschlafen.
    Ich sah, wie die Frau sie während der Fahrt im Spiegel derheruntergeklappten Sonnenblende beobachtete. Ab und zu lächelte sie dabei. Es war ein schönes Lächeln. Wohlwollend und sympathisch.
    Der andere Junge schien überhaupt nicht müde zu werden, im Gegenteil. Wie aufgedreht und unter Strom redete er nun schon wieder wie ein Maschinengewehr vor sich hin. Er behauptete, dass sein Onkel Fußballprofi sei, bei Borussia Mönchengladbach spiele und gerade eben im Europapokal der Landesmeister gegen den F. C. Liverpool verloren hätte.
    »Der Loser!«
    Mir kam das alles ziemlich ausgedacht vor. Die Frau sagte nur »Echt?« und schien dem Jungen trotzdem alles zu glauben.
    * * *
    Erst als der Renault an einer Grenze ankam, die junge Frau sich wieder umdrehte und nach hinten fragte, ob sie Pässe hätten, war der Junge endlich ruhig. Zuerst wurde Klemens, dann Vincent wach. Mir kam dabei der Verdacht, dass sie sich die ganze Zeit nur schlafend gestellt hatten. Ihre Sachen waren mittlerweile wieder trocken. Der Regen hatte längst aufgehört. Die Sonne schien, als hätte sie das schon den ganzen Tag getan.
    Die Jungs reichten ihre Pässe nach vorne, und der Wagen überquerte die Grenze, ohne dass sie kontrolliert wurden. Dabei wurde uns allen plötzlich klar, dass Sylt nicht unser Ziel sein konnte. Zwischen Deutschland und Sylt gibt es keine Staatsgrenze.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Klemens.
    »Nach Christiania.« Aus dem Mund der Frau klang

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