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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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anzuschauen.Einerseits waren sie eingeschüchtert, andererseits hatte die kurze Zeit hier in Christiania ihr Selbstbewusstsein offenbar erheblich gestärkt.
    Jetzt lachten alle drei. Ich sah, dass Klemens nun doch einen heimlichen Blick auf Moni wagte.
    »Habt ihr auch artig auf Kassiopeia aufgepasst?« Sie klang wie eine Mutter, die sich ihre minderjährigen Söhne nach einem Fehltritt vorknöpfte.
    »Klar«, sagte Klemens unbeeindruckt. »Wir haben sie im Hafen von Kopenhagen in die Freiheit entlassen.«
    »Was?« Moni sprang auf, dass ihre kleinen Brüste wie die Fische im Kopenhagener Hafen zappelten. »Seid ihr wahnsinnig?«
    »War ’n Scherz.«
    »Blödmänner!« Erleichtert legte sie sich wieder hin.
    »Sie ist vorne auf der Veranda und schlägt sich mit Salatblättern den Bauch voll.«
    »Danke!«
    Moni beugte sich zu beiden hinüber und gab ihnen einen trockenen Kuss auf die Wange. Die Gesichter von Klemens und Vincent liefen gleichzeitig rot an.
    Von da an sagte keiner mehr etwas, bis die Sonne fast untergegangen war. Klemens und Vincent hatten mittlerweile einen leichten Sonnenbrand. Moni zog ihr T-Shirt wieder an. Sie stand auf und sagte: »Elvis ist tot.«
    »Hä?«
    »Elvis Presley ist gestorben, Mann!«
    Na und? , dachte ich, auch Sänger müssen mal sterben.
    »Der König ist tot!« Moni sah aus, als ob sie gleich weinen wollte.
    »… es lebe der König«, sagte Klemens und schniefte auffällig.
    »Blödmann!« Moni boxte ihn gegen die Schulter.
    »He, das hier ist eine gewaltfreie Zone«, sagte er amüsiert.
    »Ach so, okay.« Sie beugte sich ganz langsam, fast wie in Zeitlupe, auf Klemens zu. Dann küsste sie ihn auf den Mund. Wieder wurde Klemens rot.
    »Love, peace and freedom!« Moni hob die Hand zum Victory-Zeichen, sagte noch »Blödmänner!« und ließ die beiden stehen.
    »Und was ist jetzt mit Kassiopeia?«, rief Vincent ihr hinterher.
    »Morgen!«, gab Moni zurück.
    Sie winkte mit beiden Armen, ohne dass sie sich noch einmal nach ihnen umgedreht hätte.
    »Harmony and Happiness«, sagte Klemens.
    »Die spinnt doch!«, meinte Vincent.
    * * *
    Ich merkte sofort, dass zwischen Moni und Klemens was am Laufen war. Von dem Tag an, als Moni in Christiania auf die beiden traf, verging kein Tag, an dem sie nicht gemeinsam umherstromerten. Zuerst war Vincent noch dabei. Oft saßen sie bis spät am Abend bei Kerzenlicht und Räucherstäbchen auf der Veranda, oder sie waren auf dem mehrere Hektar großen Gelände stundenlang auf Erkundungstour.
    Irgendwann schien auch Vincent zu merken, dass Moni mehr an seinem zwei Jahre älteren Bruder interessiert war, als an ihm. Er hatte keine Lust mehr, das Anhängsel zu sein, das fünfte Rad am Wagen. Er ließ sich immer mehr Ausreden einfallen, weshalb er nicht mit den beiden unterwegs sein wollte.Einmal waren es Kopfschmerzen, dann Bauchschmerzen, dann wieder Übelkeit oder »einfach keine Lust«.
    Es schien, dass Klemens und vor allem Moni gar nicht so sehr enttäuscht darüber waren.
    »Gute Besserung, Kleiner«, sagte sie, bevor beide abzogen und erst spätabends zurückkamen. Was sie unternommen hatten, darüber wollte Klemens mit seinem Bruder dann auch nicht reden.
    Mir gegenüber äußerte Vincent immer heftiger sein Missfallen über die beiden. Moni nannte er eine »blöde Kuh«, seinen Bruder einen »arroganten Fatzke«.
    Er wurde immer eifersüchtiger auf die beiden. Und mit der Zeit auch immer seltsamer.
    »Scheiß Freistaat«, sagte er. »Hier gibt’s nur Kiffer und Asis.«
    * * *
    Eines Tages, Anfang September 1977, waren alle in Christiania ziemlich aufgebracht, weil in Deutschland ein Wirtschaftsboss von Terroristen entführt worden war. Vincent, mit mir im Schlepptau, schlich Moni und Klemens heimlich hinterher.
    Was wir sahen, war nicht gerade aufregend. Meiner Meinung nach sogar ziemlich langweilig. Die beiden saßen nämlich stundenlang unter einem ausgebleichten Sonnenschirm vor einem der Cafés. Sie tranken Limo, rauchten und kicherten unentwegt, während in einem schrottigen Schwarz-Weiß-Fernseher Nachrichtensendungen über die Entführung des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die RAF gezeigt wurden. Moni und Klemens schienen sich weniger dafür zu interessieren; sie waren ganz mit sich beschäftigt. Moni küsste Klemens immer wieder, der dabei keineinziges Mal rot anlief. Im Gegenteil, auch er küsste Moni. Auf den Mund. Ziemlich lange sogar.
    Ich sah Vincent an, dass er bei den Fernsehbildern an seine

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