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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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in den Wagen.
    Als endlich alles im Transporter war und die Männer sichmit Rufen wie »Puh!« und »Boa!« Erleichterung verschafften, um sich dann ein letztes Mal ins Haus zu verdrücken, sah ich durch die noch immer geöffneten Wagentüren, wie Kira vor dem Transporter auftauchte.
    Hier! Hier bin ich! , wollte ich schreien, brachte den Mund aber nicht auf.
    Kira schlich um den Wagen herum. Sie blickte sich mehrmals um, als würde sie nach irgendetwas suchen.
    Was hat die vor? , dachte ich. Noch ehe ich eine Antwort auf die Frage wusste, sah ich sie schon in den Wagen springen. Sie öffnete die Tür des großen Schranks und schloss sie wieder.
    Die haut ab , dachte ich, als die Männer mit den Tätowierungen zurück waren und die schweren Türen des Umzugswagens schlossen.
    Der Motor wurde angelassen, und der Transporter setzte sich ruckelnd in Bewegung. Wir rollten einer ungewissen Zukunft entgegen.
    Kaum waren wir ein paar Kilometer unterwegs, öffnete sich auch schon die Schranktür einen Spalt, bis sie blockierte, weil das Möbel mit einem Gurt an der Seitenwand des Transporters befestigt war. Kira griff mit beiden Händen durch den Spalt und zerrte am Gurt, bis er endlich ein wenig nachgab. Die Tür öffnete sich weiter, und der Spalt wurde so groß, dass Kira sich mit eingezogenem Bauch hindurchquetschen konnte.
    Das Wageninnere war in schmutziges Grau getaucht. Durch die milchglasfarbenen Luken im Dach fielen schmale Lichtschimmer auf die gestapelte Ladung.
    Kira ließ sich erschöpft auf einen kleinen Turm aus Korbsesseln fallen. Noch ehe sie es sich gemütlich machen konnte,öffnete sich die Schublade meiner Kommode, als der Wagen in eine scharfe Rechtskurve ging. In hohem Bogen flog ich aus dem Möbel.
    Kira erschrak zuerst, als sie mich sah. Dann lächelte sie, nahm mich in die Hand und sagte: »So ein Zufall. Wir haben beide denselben Weg, was?«
    Ich nickte.
    »Da wird Sandra aber traurig sein.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Oder ist das ihr Geschenk für mich?«
    Ich nickte wieder.
    Es schien, als wäre der Umzugswagen bis ans Ende der Welt unterwegs.
    * * *
    Irgendwann wurden wir müde, schliefen immer wieder kurz ein, wachten erschrocken auf und mussten feststellen, dass der Wagen noch immer unterwegs war. Als wir schon nicht mehr damit rechneten, dass er irgendwann anhielt, blieb er stehen, und der Motor verstummte.
    »Ich glaube, wir sind da!«
    Kira kletterte mit mir über die Stühle hinweg zurück zum Schrank. Wieder quetschte sie sich unter dem Gurt hindurch ins Innere.
    Von draußen hörte man Wagentüren zuschlagen und dumpfe Männerstimmen. Kira zog von innen die Schranktür zu, während gleichzeitig die Wagentüren geöffnet wurden. Wieder hörten wir die rauen Männerstimmen. Sie waren nur noch durch eine dünne Holzwand von uns getrennt.
    »Zuerst den Schrank!«, befahl einer der Arbeiter, währendein anderer ungläubig fragte: »Was? Dritter Stock, ohne Aufzug?«
    Der Gurt wurde gelöst und der Schrank gekippt, sodass Kira gegen die Seitenwand gedrückt wurde. Nach einem vierstimmigen »Hau ruck!« wurde der Schrank angehoben.
    Kira und ich schwebten jetzt in Schräglage kopfüber aus dem Wagen, durch die Haustür und über die knarzenden Treppen Schritt für Schritt nach oben.
    Im zweiten Stock wurde der Schrank auf einem Treppenabsatz kurzzeitig abgesetzt. Dabei stöhnte einer der Träger: »Mann, ist das ein schwerer Hund!«
    Im dritten Stock wurden wir von einer Frauenstimme mit einem forschen »Hierher!« empfangen, worauf die Arbeiter das Möbel ächzend abstellten. Die Stimmen entfernten sich.
    Kira öffnete vorsichtig die Schranktür einen Spalt und spähte mit einem Auge nach draußen. Sie sah einen großen, leeren Raum mit glänzendem Parkettboden.
    Kurz darauf hörten wir wieder die Möbelpacker. Zwei trugen die Kommode, ein Dritter folgte mit den Korbstühlen. Die Frau marschierte vor ihnen her und gab Anweisungen. »Hierher! Nein, Moment, dahin, bitte!«
    Während sich das Zimmer mit Möbeln und Kisten füllte, rätselten Kira und ich, wie wir unbeobachtet entkommen konnten. Als weder die Möbelpacker noch die Frau zu sehen waren, schlüpfte Kira mit mir in der Hand aus dem Schrank. Sie schlängelte sich zwischen Kommode, Kisten und Schachteln hindurch auf den Flur. Dort huschte sie auf Zehenspitzen an dem Zimmer vorbei, wo die Frau gerade wieder die Möbelpacker, die einen großen Tisch trugen, energisch herumkommandierte.
    Kira erreichte die offen stehende Wohnungstür.

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