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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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ebenfalls.
    »Puh!«
    »Boa!«
    »Geschafft!«, sagte die Fremde.
    »Danke!«, sagte Kira.
    Unsere Retterin lächelte und ließ dabei eine Reihe elfenbeinweißer Zähne sehen.
    »Ich bin Jule!«, sagte sie.
    »Kira!«, sagte Kira.
    »Und der hier?«
    »Sandys Nussknacker!«
    »Wer ist Sandy?«
    »Egal. Jetzt gehört er mir.«
    Die beiden Mädchen lächelten sich an.
    »Wo willst du eigentlich hin?« Jule drehte mit den Fingern an einer verfilzten Haarsträhne. Die Ohrringe klimperten. Kira hob ratlos die Schultern. Ich wusste auch nichts zu sagen.
    »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte Kira.
    »Sankt Pauli.«
    »Nie gehört!«
    »Du bist wohl nicht von hier, was?«
    »Nee!«
    »Von wo denn?«
    »Himmelswang!«
    »Nie gehört!«
    Jule griff in die Tasche ihrer Jeans und zog ein Päckchen Zigaretten heraus. Sie bot Kira eine an. Kira griff zu. Jule gab ihr Feuer. Die Zigaretten qualmten.
    »Wie groß ist eigentlich Sankt …«
    »Wie Altona!«
    »Altona?«, fragte Kira verständnislos.
    »Oder Eppendorf. Das sind Stadtteile von Hamburg!«
    »Hamburg?«
    Kira staunte und ließ das Wort wie ein Kaubonbon auf der Zunge zergehen. Dann zog sie so kräftig an ihrer Fluppe, dass ihr ganz schummrig wurde. Auch Jule nahm einen Zug und pustete den Rauch in kleinen Ringen in die Luft. Kira schaute fasziniert zu. Die Rauchringe stiegen hoch und lösten sich über ihren Köpfen im Hamburger Himmel auf.
    »He, Nussknacker, wir sind in …«
    »Hamburg!«, wiederholte ich weniger genüsslich, aber ebenso fasziniert. Ich erinnerte mich an Klemens und Vincent und an damals, als ich schon einmal hier gewesen war, für ganz kurze Zeit.
    »Ich werd verrückt!«, sagte Kira.
    »Verrückt werden lohnt sich nicht! Da gibt’s Besseres!« Jule zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette. Der Rauch stieg wieder in kleinen Ringen in die Luft auf. Dann schnipste sie die Kippe in hohem Bogen von sich und setzte sich wieder in Bewegung.
    »Kommt mit!«
    * * *
    »Hier kannst du vorerst bleiben!«
    »Hier?«
    Jule lachte. Ihre weißen Zähne blitzten, und ihr Mund sah aus wie ein Einmachgummi.
    Kira war verwirrt. Ich auch. Wir standen vor einem abgewrackten Haus im Stadtteil Sankt Pauli, direkt am Hafen. Der Hinterhof war vollgestopft mit Gerümpel. Ein Sofa stand in der Sonne. Drum herum waren mehrere Sessel gruppiert. Alte, verrostete Fahrräder lehnten an der Wand. Daneben gammelte ein Regal vor sich hin. Ein zertrümmerter Fernseher lag auf der Hinterseite. Ein Schlauchboot, aus dem die Luft schon zur Hälfte entwichen war, klemmte zwischen einem schiefen Geschirrschrank, einem verrosteten Grill, vier völlig überfüllten Müllcontainern und einem Lattenrost.
    »Mach’s dir bequem!« Jule ließ sich in einen der Sessel fallen.
    »Hier?«
    Das Mädchen mit den roten Haaren lachte erneut. Wieder leuchteten ihre Zähne. Das ganze Haus schien, wie auch der Hinterhof, schon bessere Tage erlebt zu haben. Im Erdgeschoss waren die Fenster mit Brettern vernagelt. Auf den Brettern prangten farbige Graffiti und Geheimzeichen. Die anderen Fenster waren entweder kaputt oder mit roter Farbe überpinselt.
    »Hier gibt’s keine Mieter.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil sie rausgeschmissen wurden. Wie die in den anderen Häusern hier auch.«
    Jule zeigte nach links und rechts zu den ebenfalls ziemlich verfallenen Gebäuden, die an das Grundstück angrenzten.
    »Aber warum wurden sie …«
    »Spekulationsinteressen.«
    »Speku… was?«
    »Sag mal, wie bist du denn drauf?« Jule sah Kira an, als wäre sie ein richtiges Landei. »Die Mieter wurden aus den Häusern geschmissen, damit sie leer stehen und langsam verfallen, weil sie dann abgerissen werden können.«
    »Aber warum?« Kira kam mit dem Denken nicht hinterher.
    »Damit neue Häuser gebaut werden können. Bei den neuen sind die Mieten dann natürlich viel höher und für die Leute, die vorher drin gewohnt haben, nicht mehr bezahlbar, verstehst du?«
    Kira nickte, obwohl ich ihr genau ansah, dass ihr das Ganze ziemlich unergründlich vorkam.
    Jule sprang aus dem Sessel. Sie schlenderte zur Haustür, die mit einem dicken Vorhängeschloss verriegelt schien. Doch das war bloß eine Täuschung. Als Jule mit ihrem schweren Stiefel dagegentrat, flog die Tür auf. Von wegen abgeschlossen! Jule lächelte.
    »Such dir ein Stockwerk aus.«
    »Was?« Kira bekam den Mund nicht zu.
    »Na, du brauchst doch ein Dach über dem Kopf, oder?«
    »Woher weißt du …«
    »So was hab ich im

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