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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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gewachsen ist. Das Gerät hat ständig geknattert. »Der Beweis für eine ionisierende Strahlung«, sagte Herr Reling. Als ich das zu Hause erzählt habe, wurde mein Vater total wütend. Er schrie, dieser Ökofuzzi solle die Kinder nicht versauen, sondern das machen, was auf dem Lehrplan steht, und nicht die Kinder für seine Zwecke benutzen. Was für Zwecke das sein sollen, sagte er nicht. Er hat nur gedroht, sich beim Schulleiter zu beschweren. Ich habe ihn angefleht, das nicht zu tun. Er meinte, dass ich ihm nicht zu sagen hätte, was er tun oder lassen solle. Nun ja, ich hoffe, er tut es nicht. Aber meinem Vater ist alles zuzutrauen. Ich hasse ihn.
    Deine Sandra
    P.S.: Peter hat mich gefragt, ob ich mit ihm gehen will.
    18. Mai
    Liebe Sandra,
    bist du verliebt? In den Biolehrer? Klingt verdammt danach.
    Mein Vater und die anderen bekommen wegen dem Super-GAU richtig Oberwasser. Es ist wie eine Bestätigung. Als ob sie sich ständig selbst auf die Schultern klopfen und sagen wollen: »Seht ihr, wir haben’s gewusst!« Mir geht diese Selbstgefälligkeit ziemlich auf die Nerven. Was soll man damit denn anfangen? Wem bringt das was? Sie träumen vom Ende der Atomenergie. Sie glauben, mit dieser Katastrophe könnte der Traum in Erfüllung gehen. Ich glaube das nicht. Wenn man die Politiker hört, hat man das Gefühl, dass sie nichts gelernt haben. Dass es keine Änderung oder gar einen Umschwung gibt. Das ist ziemlich frustrierend. Was ist das für eine Zukunft?
    Ich sitze noch immer den ganzen Tag im Haus. Ein paar Leute aus Freiburg sind gekommen. Sie wollen eine große Demo in ein paar Wochen vorbereiten. Marvin ist auch dabei. Er ist noch immer ziemlich verschlossen, redet nicht viel, hat aber schöne blaue Augen und nette Grübchen. Ich würde ihn dir gern mal vorstellen. Wenn du willst, kannst du ja mal vorbeikommen.
    Gruß, deine Kira
    P.S.: Was hast du Peter gesagt?
    25. Mai
    Liebe Kira,
    Nein habe ich gesagt!
    Herr Reling, der Referendar, ist heute nicht in die Schule gekommen. An seiner Stelle stand Herr Fuchs vor der Klasse und sagte, Herr Reling sei krank. Ich glaube, das war gelogen. Ich habe meinen Vater in Verdacht, dass er sich tatsächlich beim Schulleiter beschwerthat. Wenn ich das herausfinde, haue ich ab. Meinst du, ich könnte dann eine Zeit lang bei euch unterkommen?
    Die Freibäder haben jetzt auch wegen der Strahlenbelastung geschlossen. Und mein Vater glaubt noch immer nicht dran. Oh Mann, wie verbohrt muss man da sein. Meine Mutter ist natürlich auf seiner Seite. Wie immer. Mein Vater hat nur eine Sorge: dass die Fußball -WM ausfällt. Aber Mexiko ist weit, und bis Ende Mai sind es noch ein paar Tage. Dann geht dieser Horror wieder los. Ich hasse Fußball. Ich hasse meinen Vater. Ich fühle mich allein. Ich denke oft an Herrn Reling. Vielleicht sollte ich mal zum Schulleiter gehen und nach ihm fragen.
    Deine Sandy
    P.S.: Bist du in Marvin verknallt?
    30. Mai
    Liebe Sandra,
    ich glaub schon. Er ist einfach süß. Ich glaube aber, er ist nicht in mich verliebt. Marvin ist ziemlich schüchtern.
    Das mit deinem Biolehrer ist ja ziemlich Scheiße. Deinem Vater traue ich das auf jeden Fall zu. Du kannst jederzeit zu uns kommen. Aber ich muss dich warnen, hier ist es auch nicht gerade prickelnd. Manchmal wünsche ich mich auch ganz weit weg. Ständig diese Quatscherei, ständig diese Pläne, die dann doch nicht verwirklicht werden. Mir und Marvin geht das ganz schön auf die Nerven. Marvin hat gesagt, er will hier nicht lange bleiben. Vielleicht gehe ich mit ihm weg, wenn er bis dahin auch in mich verknallt ist.
    Kira
    P.S.: Du kannst jederzeit kommen, ehrlich.
    30. August
    Liebe Sandra,
    bei uns ist dicke Luft. Mein Vater flippt ständig aus, und meine Mutter war wieder drei Wochen verschwunden. Wahrscheinlich hat sie einen Liebhaber, obwohl sie es abstreitet. Ich glaube, sie hat was mit Marvins Vater angefangen, vor ein paar Monaten. Vielleicht sogar schon früher. Vielleicht war das auch der Grund, weswegen die Leute aus Freiburg überhaupt hier waren. Vielleicht fällt ihr hier aber auch die Decke auf den Kopf, und sie will einfach ab und zu mal weg. Das kann ich verstehen. Mir geht es seit Monaten nicht anders. Am liebsten würde ich auch weg. Irgendwohin, wo was los ist. Kommst du mit?
    Küsschen Kira
    15. September
    Liebe Kira,
    meine Mutter ist wieder in der Klinik. Vater ständig gestresst. Und jetzt ist Deutschland nicht mal Fußballweltmeister geworden! (Grins!) »Die verdammten

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