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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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verschwand Kira im Kaufhof.
    Was will sie da? , dachte ich mir. Was will sie ohne Geld in einem Kaufhaus?
    Irgendwie geriet sie zwischen die Regale in der Feinkostabteilung. Dann ging alles blitzschnell. Sie sah Köstlichkeiten über Köstlichkeiten, aufgestapelt in unendlicher, bunt glitzernder Vielfalt. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Hinter ihren Lidern tanzten Sterne wie beim Feuerwerk an Silvester. Ihre und auch meine Nase nahmen die verlockenden Düfte wahr, die durch Einwickelpapiere und Folien drangen.
    Fast automatisch griff Kira nach einer Sechserpackung Schokoriegel und ließ sie unter ihr T-Shirt gleiten. So schnell, dass sie es selbst kaum merkte. Als ob nicht sie es wäre, die da zwischen den Regalen stand, sechs Schokoriegel an den Bauch gedrückt.
    Sie schlenderte noch ein wenig durch die Regalflure und schmuggelte sich schließlich an den Kassen vorbei, die Rolltreppe wieder nach oben zum Ausgang.
    Gerade in dem Moment, als sie die großen Glastüren passierte und auf die Straße trat, rief eine Stimme hinter ihr: »Halt, stehen bleiben!«
    Kira blickte zurück. Da war ein schnauzbärtiger Mann in Jeans, Joggingjacke und Turnschuhen, dessen finsterer Blick keinen Zweifel daran ließ, dass er kurzen Prozess mit Diebinnen machen würde.
    Die Schokoladenriegel unter Kiras T-Shirt fielen mir wieder ein. Klar, das konnte nur ein Detektiv sein!
    Kira rannte los, so schnell wie noch nie im Leben. Wir sausten wie ein Sturmwind an den Passanten vorbei. Einige blieben stehen und sahen uns verwundert nach. Manche schüttelten den Kopf und lachten. Andere fluchten und traten einen Schritt zur Seite.
    Doch so flink Kira auch war, der Detektiv ließ sich nicht so leicht abschütteln.
    Wir legten einen Zahn zu. Haarsträhnen peitschten Kira ins Gesicht. Nur nicht zurückschauen!
    Als Kira gerade in eine Seitenstraße einbog und an einem Supermarkt vorbeidüste, hörten wir plötzlich einen Schrei. Dann einen Knall.
    Sofort blieb Kira stehen. Wir sahen den Detektiv am Boden liegen, vor ihm ein umgestürzter Einkaufswagen, und daneben stand …
    »Jule!«
    Ich war total überrascht. Jule kam mir vor wie ein Geist am helllichten Tag.
    Auf einmal wurde es ganz still um uns herum. Wir hörten die Geräusche der Straße nicht mehr, spürten nur noch unseren Herzschlag.
    Jule lächelte. Ihre roten, verfilzten Haare standen wie kleine Igelstacheln von ihrem Kopf ab, und ihre Schnürsenkel hingen ungeknüpft nach unten.
    Der Detektiv kauerte am Boden, jammerte und fluchte abwechselnd.
    »Los, komm!«
    Jule riss Kira aus ihrer Erstarrung. Sie sauste voraus. Kira folgte ihr, ohne zu überlegen.
    »Schneller!«
    »Ja doch!«
    Die Schnürsenkel tanzten. Das T-Shirt flatterte. Bald war der Detektiv weit zurückgefallen. Hinkend hoppelte er hinter den Mädchen her, bis er nur noch ein kleiner grauer Fleck unter all den Passanten war.
    »Rechts!«
    Wir bogen ab. Kira wurde langsamer. Sie hatte Seitenstechen und keuchte. Jule verringerte das Tempo ebenfalls.
    Als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, fragte Kira: »Mensch, wo kommst du denn auf einmal her?«
    Jule zeigte zum Himmel. »Ich bin dein Schutzengel!«
    Komisch, dachte ich. Bin ich das nicht?
    »Was du nicht sagst«, konterte Kira. »Hab schon bessere Witze gehört. Kannst du mir mal verraten, wo du die ganze Zeit warst?«
    »Sie haben mich geschnappt!«
    » Geschnappt ?«
    »Ja, geschnappt und zurückgebracht!«
    »Wer und wohin?«
    »Ins Heim!«
    »Dann bist du gar nicht von zu Hause ausgerissen …«
    »Ich war im Heim, seit ich denken kann!« Jule sah dabei ziemlich vergnügt aus. »Und da hau ich immer wieder ab. Auch seit ich denken kann!«
    »Und jetzt?«
    »Wieder mal geschnappt. Da rauszukommen dauert nun mal. Sorry wegen der Verspätung!«
    »Warum warst du denn im Heim?«
    »Das ist eine lange Geschichte.« Jule drehte nervös an einer Haarsträhne. »Das Heim ist eben mein Zuhause. Eltern kamen bei mir nie vor. Zuerst hab ich bei einer Tante gewohnt. Als die starb, musste ich ins Heim. Da war ich zehn. Und dann haben sie mich von einem Heim ins andere geschoben. Hin und wieder büxe ich aus und gönne mir ein paar Tage urlaub. Aber jetzt lass uns bloß von hier verduften! Nicht dass der Knilch uns doch noch erwischt!«
    Wir gingen weiter.
    »Du bist eine ganz schöne Anfängerin!«, sagte Jule, als wir in der Menge der Fußgänger untergetaucht waren. »Im Kaufhof zu klauen ist dasselbe, wie in eine Polizeiwache einbrechen.«
    »Hä?« Kira

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