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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Spint, um die Hasen zu füttern, denn der Waschtag war immer ein Spektakel, das sie sich nicht entgehen lassenwollten. Jeden Montag kletterten sie heimlich auf einen Apfelbaum hinter dem Kinderheim.
    »Na los, komm schon!«, flüsterte Karl, der jedes Mal Schwierigkeiten hatte, an den Ästen entlangzuklettern. »Spring!«
    Karl stand schon auf dem Dach des angrenzenden Hühnerstalls und versuchte, Freds Angst zu zerstreuen.
    »Nun mach schon, bevor der olle Geyer dich sieht!«
    Der olle Geyer war neben dem Pfarrer der einzige Mann und Hausmeister im Kinderheim. Er war so gefürchtet wie alle Ordensschwestern zusammen. Vor allem die Kopfnüsse und Ohrfeigen flößten den Kindern einen Heidenrespekt ein und hinterließen bleibende Eindrücke, rote Backen und blaue Flecken. Würde der olle Geyer die beiden auf dem Apfelbaum oder gar auf dem Hühnerstall sehen, gäbe es mit Sicherheit eine Tracht Prügel.
    Fred sprang und landete ebenfalls auf dem Hühnerstall.
    »Na endlich!«
    Karl robbte auf allen vieren die Dachziegel hinauf zum First. Fred folgte ihm langsam, wobei er sich vorsichtig vorantastete. Er schwitzte und stöhnte, als würde ihm das Kriechen auf dem steilen Dach erhebliche Probleme bereiten.
    »Schneller!«, trieb Karl ihn an.
    »Ja doch!«
    Endlich war auch Fred oben und kauerte am Giebel, völlig erschöpft, doch die Anstrengung hatte sich gelohnt. Fred und Karl klatschten sich ab, grinsten und schauten über die Dachpfannen hinweg in den Garten hinunter. Es war der beste Platz weit und breit. Und die beste Sicht.
    Im Garten standen die Ordensschwestern vor dampfenden, mit Wasser gefüllten Bottichen aus Holz. Sie drehten undwendeten die schmutzige Wäsche mit einer Art hölzernem Paddel immer wieder im Wasser hin und her. Der ganze Garten roch nach Seifenlauge und Kochwäsche. Das Aufregendste aber war, dass die Schwestern das erste und einzige Mal in der Woche nicht ihre graue Tracht trugen, sondern blaue, etwas zu kleine Kittelschürzen. Wenn sie nicht mit dem Paddel im Wasser stocherten, wuschen und rubbelten sie gebückt und mit kräftigen Bewegungen die schmutzige Wäsche auf einem Waschbrett. Dann mangelten sie die Wäsche an einer großen Maschine und hängten die weißen Laken schließlich an den Wäscheleinen auf, die überall im Garten gespannt waren. Die Arbeit an den Bottichen, am Waschbrett und der Mangel war schweißtreibend, sodass die Haut der Frauen verführerisch im Sonnenlicht glänzte und ihre dicken Körper jeden Moment aus den Kittelschürzen zu schwabbeln drohten. Deswegen wurden alle Kinder während des Waschtags aus dem Garten verbannt. Und deswegen saßen Fred und Karl nun auf dem Dach und starrten gebannt auf das helle Fleisch der dicken Ordensschwestern. Ab und an erhaschten sie einen Blick auf eine halb entblößte Brust oder einen nackten weißen Oberschenkel, der sie unweigerlich an das Hähnchenfleisch erinnerte, das es manchmal am Sonntag zu Mittag gab. Natürlich hofften die beiden jedes Mal aufs Neue, mehr von den Frauen zu sehen, jedoch vergebens. Immer versperrten die verschwitzten Kittelschürzen den ungehinderten Einblick.
    »Das war’s!«
    »Los, nix wie weg, bevor die was merken!«
    Wenn die Leinentücher schließlich an den Wäscheleinen hingen und wehten, als wäre der Garten ein riesiges Schiff, klopften Fred und Karl sich gegenseitig die eingeschlafenenBeine wach. Von den Oberschenkeln bis zu den Fußspitzen fühlte es sich an, als hätten sich Tausende von Ameisen darüber hergemacht. Fred und Karl kicherten, bis ihnen die Tränen kamen.
    Mir war eher zum Heulen zumute. Aber nicht wegen der Ameisen, sondern wegen der unachtsamkeit der beiden Jungs. Und dann passierte es auch schon: Ich rutschte über die oberste Dachpfanne hinweg und schlitterte die Dachziegel entlang nach unten.
    »Verdammt!«, hörte ich Fred leise aufschreien, als ich in einem Affenzahn über das Dach hinwegkatapultiert wurde und in hohem Boden über den Garten flog. Ich landete in einem der Bottiche, dass das Wasser spritzte.
    Die Ordensschwestern schrien auf.
    »Was war das denn?«, fragte die Oberin.
    »Da ist etwas vom Himmel gefallen!«, antwortete Schwester Hildegard, fischte im trüben Wasser des Bottichs herum und zog mich entschlossen heraus. Alle Ordensschwestern versammelten sich um mich her und musterten mich erstaunt. Sie schienen alle dasselbe zu denken: Vom Himmel kommen der Heilige Geist und der liebe Gott, aber doch kein Nussknacker!
    »Der Trostpreis!« Die Oberin

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