Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
Vom Netzwerk:
habt!« Die Stimme der Frau klang noch fordernder. Die Blicke der anderen Fahrgäste schienen nun ebenfalls an den Jungs zu kleben.
    »Nichts«, sagte Karl eingeschüchtert.
    »Wusste gar nicht, dass ein Nichts so wackeln kann«, mischte sich ein Mann ein, während die Frau mit den roten Wangen lachte.
    Fred und Karl kam das alles ein bisschen spanisch vor. Sie standen auf, schnappten sich ihre Rucksäcke und verkündeten: »Wir müssen aussteigen!«
    Sie drückten sich an den Neugierigen vorbei, die den beiden argwöhnisch nachsahen und versuchten, die Rucksäcke zu betatschen.
    »Da sind Ferkel drin!«, sagte jemand in ihrem Rücken.
    »Das gibt’s doch nicht!«
    »Wenn ich’s sage!«
    Karl und Fred gingen schneller an den Abteilen vorbei. Schließlich blieben sie an der Tür stehen, die Rucksäcke schützend an die Wand gedrückt.
    Der Zug hielt, und sie stiegen aus.
    Glück gehabt.
    * * *
    Rahn und Walter zwei waren schnell verkauft, denn zwei fette Hasen waren ein gefundenes Fressen für Menschen mit dicken Geldbeuteln, und die gab es trotz der allgemeinen Not. Fred und Karl rieben sich die Hände, versteckten das Geld in ihren Schuhen und machten sich auf den Heimweg.
    Auf dem Weg zum Bahnhof kamen sie an einem Lichtspielhaus vorbei. Draußen hing ein großes Filmplakat, auf dem eine schöne Frau zu sehen war. Darunter stand Die Sünderin . Das war ein Film, den Kinder sich nicht anschauen durften, aber Karl und Fred fühlten sich nach dem Hasen-Geschäftwie kleine Erwachsene. Sie dachten an die Schwestern in den Kittelschürzen und beschlossen, sich Die Sünderin mal näher anzugucken. Aber denkste.
    »Wie alt?«, fragte eine Frauenstimme aus dem Loch in der Scheibe des Kassenhäuschens.
    »Vierzehn!«, log Karl.
    »Fünfzehn!«, zog Fred nach und legte dabei gleich zwei geschummelte Jahre auf ihr tatsächliches Alter drauf.
    Die Frau an der Kasse machte ein griesgrämiges Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte: »Ohne Erziehungsberechtigten darf ich euch nicht reinlassen!«
    Doch so leicht wollten die beiden sich nicht abservieren lassen, also musste ein Erwachsener her. Spint wäre genau der Richtige gewesen, aber der war nun mal nicht da. Die Frau an der Kinokasse schüttelte noch immer den Kopf und weigerte sich hartnäckig, zwei Eintrittskarten rauszurücken.
    »Wir müssen sie ablenken!«, flüsterte Karl.
    »Aber wie?«
    Die Jungs dachten nach, während ein paar Männer vor dem Kassenhäuschen standen und Eintrittskarten kauften.
    »Ich hab’s!«, sagte Fred.
    Sie nahmen einen dicken Draht, den sie neben dem Kino in einer Ruine fanden, und wickelten ihn mir um den Fuß.
    Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist? , dachte ich und sah, wie die beiden jetzt von der Seite geduckt bis vor das Kassenhäuschen krochen, sodass die Kassiererin sie nicht sehen konnte. Dann stellten sie mich auf das Bord vor der Scheibe mit dem Loch und zogen mich ganz langsam, damit ich nicht umfallen konnte, am Draht vor der Scheibe, hinter der die Frau saß, hin und her. Dabei verstellte Karl die Stimme und sang piepsend: »Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus nach Wannsee. Ja, wir radeln wie der Wind, durch den Grunewald geschwind, und dann sind wir bald am Wannsee. Hei, wir tummeln uns im Wasser, wie die Fischlein, das ist fein, und nur deine kleine Schwester, nee, die traut sich nicht hinein …«
    Ich hüpfte fast im Takt von der linken Seite des Bords zur rechten und wieder zurück. Die Kassiererin schaute, als wäre ich ein Seeungeheuer, das geradewegs aus dem Wasser des Wannsees aufgetaucht war. In ihren Augen lag eine Mischung aus Verwunderung und Zweifel, ob das, was sie da sah, wirklich existierte. Wie hypnotisiert starrte sie auf mich, der noch immer – mittlerweile schon zum dritten Mal – mit dem Schwesterlein zum Wannsee fuhr und sich dabei hin- und herbewegte. Die Faszination der Frau, auf deren Oberlippe und Stirn sich Schweißperlen bildeten, nutzten die Jungs natürlich schamlos aus.
    Ich sah, wie sie auf allen vieren am Kassenhäuschen vorbei und durch den Vorhang hindurch ins Kino robbten.
    Als Karl und Fred schon hinter dem Vorhang verschwunden waren, zogen die beiden mit einem kräftigen Ruck an dem Draht, der um meinen Hals lag. Ich stürzte vom Bord des Kassenhäuschens, segelte durch die Luft und sprang durch den Vorhangschlitz Fred direkt in die Arme.
    Die entsetzte Kassiererin schrie auf. Doch ehe sie den mysteriösen Vorgängen auf den Grund

Weitere Kostenlose Bücher