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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Beretta 92 und eine Mini-Uzi, beide mit Schalldämpfern.«
    »Bist du dir sicher, dass die Mini reicht?«
    »In der Datscha wird’s eng zugehen.«
    Sie kamen an zwei weiteren Milizionären vorbei. Rechts von ihnen ragte über dem roten Wall der alten Zitadelle die reich geschmückte gelb-weiße Fassade des Großen Kremlpalasts auf, in dem gerade das G8-Gipfeltreffen stattfand.
    »Was ist mit dem Range Rover?«
    »Den haben wir letzte Nacht übernommen.«
    »Schwarz?«
    »Natürlich. Charkows Leute fahren nur schwarze Range Rover.«
    »Wo habt ihr ihn her?«
    »Von einem Rover-Händler in Aleksejewskaja. Schamron wird an die Decke gehen, wenn er den Preis hört.«
    »Zulassung?«
    »Alles erledigt.«
    »Wie lange fährt man vom Metropol aus?«
    »In einem normalen Land würde es höchstens drei Stunden dauern. Hier dagegen … Michail will dich um zwei Uhr morgens abholen, damit es garantiert kein Problem gibt.«
    Sie hatten die Südwestecke des Kremls erreicht. Auf dem gegenüberliegenden Flussufer stand ein kolossales graues Wohngebäude, das von einem sich drehenden Mercedesstern gekrönt wurde. Dieses »Haus an der Moskwa« hatte Stalin in den Jahren 1928 bis 1931 als Wohnkomplex für die Nomenklatura – die Partei- und Staatselite – erbauen lassen. Während des Großen Terrors hatte es sich in ein Haus des Schreckens verwandelt. Fast achthundert Menschen, ein Drittel der Bewohner des Gebäudes, waren aus den Betten geholt und an einer der Richtstätten rings um Moskau liquidiert worden. Der Ablauf war stets gleich gewesen: nächtliche Misshandlungen, ein Genickschuss, das Verscharren der Leichen in einem hastig ausgehobenen Massengrab. Trotz seiner blutigen Geschichte galt das Haus an der Moskwa heute als eine der exklusivsten Adressen Moskaus. Iwan Charkow gehörte ein Luxusapartment im achten Stock. Es zählte zu seinen wertvollsten Besitztümern.
    Gabriel sah zu Navot hinüber und stellte fest, dass Uzi den traurigen kleinen Park anstarrte, der durch eine Straße getrennt vor dem Wohnkomplex lag: der Bolotnaja-Platz, Ort der wohl berühmtesten Auseinandersetzung in der Geschichte des Diensts.
    »Ich hätte dir damals den Arm brechen sollen. Dieser ganze Scheiß wäre nie passiert, wenn ich dich ins Auto gezerrt und mit dem Rest des Teams aus Moskau abgezogen hätte.«
    »Das stimmt, Uzi. Nichts davon wäre passiert. Wir hätten Charkows Lenkwaffen nie entdeckt. Und Elena Charkowa wäre tot.«
    Navot ignorierte diesen Einwand. »Ich kann nicht glauben, dass wir wieder hier sind. Ich hatte mir geschworen, niemals mehr einen Fuß in diese Stadt zu setzen.« Er sah zu Gabriel hinüber. »Weshalb will Charkow überhaupt eine Wohnung in einem solchen Haus haben? In diesem Kasten spukt es. Man kann die Schreie fast hören.«
    »Von Elena weiß ich, dass ihr Exmann ein überzeugter Stalinist ist. Charkows Haus in Schukowka steht auf einem Grundstück, das einmal der Tochter Stalins gehört hat. Und als er auf der Suche nach einer Stadtwohnung war, hat er sich das Apartment im Haus an der Moskwa gekauft. Der ursprüngliche Besitzer war ein hoher Beamter im Außenministerium. Stalins Schergen haben ihn verdächtigt, für die Deutschen zu spionieren. Sie haben ihn nach Butowo verschleppt und mit einem Genickschuss liquidiert. Diese Geschichte erzählt Charkow immer wieder gern.«
    Navot schüttelte langsam den Kopf. »Manche Leute wollen eine große Küche und eine schöne Aussicht. Aber wenn Charkow ein Apartment sucht, muss es eine blutige Vergangenheit haben.«
    »Er ist einzigartig, unser Charkow.«
    »Vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass er ein paar hundert Hektar wertloses Wald- und Sumpfland außerhalb von Moskau gekauft hat.«
    Ja, dachte Gabriel, vielleicht erklärt das alles. Er sah den Kremlkai entlang und entdeckte Eli Lavon, der ihnen entgegenkam – noch immer mit seinem Aktenkoffer in der rechten Hand. Als Lavon an ihnen vorbeiging, machte er eine knappe Bewegung mit der freien Hand. Sie bedeutete, dass ihr Treffen lange genug gedauert hatte. Navot zog einen Handschuh aus und streckte Gabriel die Rechte hin.
    »Geh ins Metropol zurück. Bleib möglichst in deinem Zimmer. Und versuch, dir keine Sorgen zu machen. Wir holen sie dort raus.«
    Gabriel schüttelte Navot die Hand, dann machte er kehrt und ging in Richtung Erlösertor zurück.
     
    Ohne dass Navot etwas davon ahnte, missachtete Gabriel seine Anweisung, ins Hotel Metropol zurückzukehren, und ging stattdessen in die Twerskaja ulitsa.

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