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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Sterbenden auf Russisch.
    »Im Keller.«
    »Guter Junge.«
    Michail schoss ihm ins Gesicht. Jetzt war auch die linke Seite der Datscha gesichert.
    Sie rannten zur Kellertreppe.
     
    Während sie sich in eine Ecke des finsteren Kellerraums presste, hörte Chiara drei Geräusche rasch nacheinander: ein aufschnappendes Vorhängeschloss, einen zurückgleitenden Riegel und eine Klinke, die heruntergedrückt wurde. Die Stahltür öffnete sich laut scharrend und ließ einen schwachen Lichtkegel ein fallen, der Grigorij beleuchtete. Als Nächstes kam eine 9-mm-Makarow, die von zwei Händen gehalten wurde. Von den Händen der Frau, die mein Kind mit Beruhigungsmitteln getötet hat. Die Pistole schwenkte etwas von Chiara weg und nahm Grigorij ins Visier. Sein zerschlagenes Gesicht ließ keine Angst erkennen. Er hatte zu starke Schmerzen, um Angst zu empfinden, und war zu erschöpft, um gegen den drohenden Tod anzukämpfen. Das tat Chiara an seiner Stelle. Sie stürzte aus ihrer dunklen Ecke hervor, bekam die Handgelenke der Frau zu fassen und drückte sie nach oben. Dabei löste sich ein Schuss, der in dem kleinen Kellerraum wie eine Kanone klang. Dann ein zweiter. Danach ein dritter. Chiara hielt die Handgelenke weiter umklammert. Für Grigorij. Für ihr Baby. Für Gabriel.
     
    Iwan Charkow war ein Mann mit vielen Geheimnissen, vielen Leben. Niemand wusste das besser als Jekaterina, seine zur liebevollen Ehefrau gewordene frühere Geliebte. Wie Elena vor ihr hatte sie sich auf einen törichten Handel eingelassen: Als Gegenleistung für die Erfüllung aller materiellen Wünsche würde sie keine Fragen stellen. Keine Fragen nach Charkows Geschäften. Keine Fragen nach Charkows Freunden und Geschäftspartnern. Keine Fragen nach den Gründen für Elenas Entscheidung, ihm die Kinder zu überlassen. Und auch keine Fragen nach den Gründen für den überraschenden Entschluss der Kinder, das Flugzeug nicht zu verlassen. Stattdessen bemühte sie sich, die ihr von Charkow zugewiesene Rolle zu spielen. Sie versuchte, seine Hand zu halten, aber Charkow wollte sich nicht anfassen lassen. Sie versuchte, ihn mit Worten zu beschwichtigen, aber Charkow wollte nicht zuhören. Er hatte jetzt nur Augen für Oleg Rudenko. Um das Knattern der Rotorblätter zu übertönen, schrie der Sicherheitschef laut in sein Handy. Jekaterina hörte Sätze, die sie lieber nicht gehört hätte. Wie viele Männer hast du? Wann können sie dort sein? Kein Blut! Hast du verstanden? Kein Blut, bevor wir da sind! Sie brachte den Mut auf, nach ihrem Ziel zu fragen. Charkow erklärte ihr, das erfahre sie noch früh genug. Sie sagte, sie wolle nach Hause. Charkow forderte sie auf, die Klappe zu halten. Sie starrte aus dem Fenster des Hubschraubers. Irgendwo dort unten lag ihr Heimatdorf. Das alte Dorf, in dem sie gelebt hatte, bevor sie von dieser Frau aus der Modelagentur entdeckt worden war. Das Dorf voller Trinker und Verlierer. Sie schloss die Augen. Bring mich heim, du Ungeheuer. Bitte, bring mich heim.
     
    Der junge Assistent näherte sich dem russischen Präsidenten sehr vorsichtig. Das taten Assistenten unabhängig von ihrem Alter im Grunde immer. Der Präsident lehnte sich ein Stück zurück, damit der Assistent ihm ins Ohr flüstern konnte – ein seltenes Vorrecht. Dann erneut diese Reaktion: Kinn auf die Brust gesenkt, Blicke wie Dolche.
    »Er sieht nicht froh aus«, sagte der britische Premierminister.
    »Wirklich nicht? Woran sehen Sie das?«
    »Am Flughafen hat es wohl eine unangenehme Überraschung gegeben.«
    »Warten Sie, bis er die Zugabe hört.«
     
    Sie hatten die Kellertreppe erreicht, waren sie schon halb hinuntergepoltert, als der erste ohrenbetäubend laute Schuss fiel. Michail lief voraus; für Gabriel, der einen Schritt hinter ihm kam, war die Sicht teilweise versperrt. Am Fuß der Treppe erwartete sie ein schrecklicher Geruch: der Gestank von Menschen, die zu lange in einem kleinen Raum zusammengepfercht waren. Der Gestank des Todes. Dann fiel ein weiterer Schuss. Und noch einer. Und noch einer …
    Gabriel hörte einen Aufschrei, danach zwei Frauenstimmen, die wütend kreischten. Sie waren deutlich voneinander zu unterscheiden, weil eine auf Russisch schrie. Und die andere kreischte auf Italienisch.
    Am Fuß der Treppe stürmte Gabriel hinter Michail her, horchte auf Chiaras Stimme und betete, keine weiteren Schüsse mehr zu hören. Michail stieß die Tür auf und betrat den Kellerraum als Erster. In einer Ecke lehnte ein an Händen und

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